Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Besteuerung von Sicherheitseinbehalten für eventuelle Baumängel
Leitsatz (redaktionell)
1. Sog. Sicherheitseinbehalte für eventuelle Baumängel unterliegen der Sollbesteuerung und nicht der Istbesteuerung.
2. Bei Bauleistungen entsteht die USt-Schuld mit der Verschaffung der Verfügungsmacht an dem vollendeten Bauwerk, wenn eine Werklieferung vorliegt, für die Werkvertragsrecht vereinbart ist, denn diese ist gem. § 3 Abs. 4 UStG umsatzsteuerlich als Lieferung anzusehen. Für die Entstehung der USt-Schuld ist es unerheblich, ob das vereinbarte Entgelt (ganz oder teilweise) gezahlt worden ist. Folglich kann auch ein (vereinbarter) Sicherheitseinbehalt nicht zur Minderung der USt-Schuld führen.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 20
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer (USt)-Festsetzung für 2007 unter den Beteiligten, ob in Bezug auf Sicherheitseinbehalte für eventuelle Baumängel ein Wechsel von der Sollbesteuerung zur Istbesteuerung zulässig ist.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin (Klin.) ist die Oberflächentechnik (Malerarbeiten, Strahltechnik, Verzinkerei).
Bei der Ermittlung der Umsätze für 2007 hatte die Klin. die im Streitjahr erzielten Umsätze um Sicherheitseinbehalte (von der Klin. als nicht fällige Umsätze gekennzeichnet) in Höhe von 42.884,26 EUR für 19 %-tige Umsätze und i. H. v. 72.336,76 EUR für 16 %-tige Umsätze gemindert und in ihrer am 08.04.2008 abgegebenen USt-Erklärung eine dementsprechend niedrigere USt erklärt. Gleichwohl hatte die Klin. gemäß der USt-Erklärung noch 38.568,73 EUR zu zahlen. Während einer ebenfalls ab dem 08.04.2008 vom Beklagten (Bekl.) bei der Klin. durchgeführten USt-Sonderprüfung (Bericht vom 12.06.2008, auf den Bezug genommen wird) gab die Klin. als Begründung an, dass bei den Sicherheitseinbehalten für eventuelle Baumängel dem Unternehmer eine Vorfinanzierung der Steuer nicht zuzumuten und somit insoweit ein Wechsel von der Sollbesteuerung zur Istbesteuerung gerechtfertigt sei (Tz. 14.2 des Berichts über die USt-Sonderprüfung). Die USt-Sonderprüferin und der Bekl. teilten die Ansicht der Klin. nicht. Die Sicherheitseinbehalte minderten die Bemessungsgrundlage nicht, sondern das Sollprinzip bleibe bestehen. Dementsprechend erließ der Bekl. unter dem 25.06.2008 einen USt-Bescheid für 2007, mit dem die erklärten Umsätze zu 16 % um 72.336 EUR und die zu 19 % um 42.884 EUR erhöht wurden. Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch wiederholte die Klin. ihre Rechtsansicht unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 10.03.1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, wonach, wenn der Gläubiger dem Schuldner vertraglich zusichert, er werde seine Forderung nur noch im Umfang eines festgelegten Nachbesserungsfalles geltend machen, wegen vereinbarten Forderungsverzichts des Gläubigers Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eintritt.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 04.11.2009, auf die Bezug genommen wird, wies der Bekl. den Einspruch der Klin. als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 17 UStG lägen nicht vor. Anders als in dem von der Klin. genannten BFH-Beschluss, in dem das Gericht von einem mangelnden Zahlungswillen oder von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen sei, treffe dies im Streitfall bei den Sicherheitseinbehalten nicht zu. Die Klin. könne sich nicht auf Reklamationen von Leistungsempfängern berufen. Auch bestritten die Leistungsempfänger die Zahlungen weder auf Dauer noch bestritten sie substantiiert das Bestehen und die Höhe des vereinbarten Entgelts. Statt der Sollbesteuerung könne die Istbesteuerung nicht erfolgen, denn bei vereinbarten Sicherheitseinbehalten sei bei Rechnungserteilung nicht davon auszugehen, dass in Höhe des Einbehalts auch tatsächlich nicht pünktlich gezahlt werde. Erst wenn der Leistungsempfänger Mängel geltend mache und die Restzahlung verweigere, sei von einer Minderung der Bemessungsgrundlage auszugehen.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und trägt ergänzend vor: Entgegen der vom Bekl. vertretenen Auffassung sei eine Umsatzsteuerkorrektur gemäß § 17 UStG im Jahr 2007 zulässig gewesen. Es hätten Forderungen aus Sicherheiten in der genannten Höhe bestanden. Die Forderungsberichtigung stehe im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung und der des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – (EuGH-Urteil vom 03.07.1997 C – 330/95, Slg 1997, I-3801-3826, UVR 1997, 329). Grund für die Berichtigung sei nicht die Uneinbringlichkeit, sondern der Grundsatz, dass das Ist-Prinzip für die USt gelte (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Anm. 190 ff). Bei Sicherheitsleistungen seien die Forderungen über Jahre gebunden. Wenn die Zahlungen erst zwei bzw. fünf Jahre später kämen, sei die USt auf die in Rechnung gestellten Leistungen nicht fällig. Der Unternehmer sei nicht verpf...