Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhaftigkeit i. S. von § 174 Abs. 4 AO
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Anwendung von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO setzt voraus, dass sich die irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts auf die richtige Anwendung des materiellen Rechts beschränkt. Einzige Ursache der Fehlerhaftigkeit muss die materiell-rechtlich unzutreffende Würdigung eines bestimmten Sachverhalts sein.
2) Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO scheidet demnach aus, wenn ein aufgehobener Änderungsbescheid nicht nur aufgrund irriger materiell-rechtlicher Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts fehlerhaft war, sondern auch deshalb, weil die formelle Berechtigung zur Berichtigung nicht gegeben war.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Voraussetzungen für die Berichtigung eines bestandskräftigen ESt-Bescheides nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung – AO – vorliegen.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Sie waren zu je 50 v.H. (= Anteil am Stammkapital je 25.000,– DM) Gesellschafter der Ende 1987 gegründeten GO GmbH. Ab dem 1.1.1988 wurde der Gewerbebetrieb des Vaters der Klägerin an die GmbH verpachtet. Lediglich Umlaufvermögen und unbedeutende Teile des Anlagevermögens wurden zu diesem Zeitpunkt an die GmbH veräußert. Eine Betriebsaufgabe wurde nicht erklärt. Mit Wirkung vom 1.1.1995 übertrug der Vater der Klägerin den verpachteten Gewerbebetrieb auf die Klägerin. Die Klägerin erklärte in der Folgezeit jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dieser Verpachtung.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 bat der steuerliche Berater der Kläger den Beklagten um Herabsetzung der ESt-Vorauszahlungen ab 2000. Zur Begründung führte er aus, dass ab dem 1.1.2000 sich für die Klägerin keinerlei Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr ergeben würden.
Am 7. August 2000 reichten die Kläger die ESt-Erklärung für 1999 ein. Hierin wurden Einkünfte aus der gewerblichen Verpachtung in Höhe von 12.703,– DM erklärt. Nachdem der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten mit Schreiben vom 29. August 2000 um eine Stellungnahme bat, da aus dem Jahresabschluss der Klägerin zum 31.12.1999 sich kein Aufgabegewinn ergab, wurde ihm telefonisch mitgeteilt, dass das bislang gewerblich an die GmbH vermietete Grundstück der Klägerin zu Buchwerten in die GmbH eingebracht worden sei. Zugleich wurde auf den notariellen Vertrag vom 29. Mai 2000 verwiesen. Ausweislich dieses Vertrages, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 70 ff. d. ESt-A), hat die GmbH am 29. Mai 2000 die Erhöhung ihres Stammkapitals um 5.000,– DM beschlossen. Daraufhin hat die Klägerin mit notariellem Vertrag ebenfalls vom 29. Mai 2000 ihr bisher als Einzelunternehmen geführtes Verpachtungsunternehmen mit allen Aktiva und Passiva (insbesondere der Grundstücke im Grundbuch des Amtsgerichts (AG) B von T, Blatt 3676, Gemarkung T, Flur 25, Flurstücke 365 und 366) gegen Übernahme der Stammeinlage von 5.000,– DM mit der Maßgabe in die GmbH eingebracht, dass für die Einbringungsverwertung die Buchwerte des Betriebsvermögens zum 31.12.1999 gelten sollen. Der Besitzübergang erfolgte mit sofortiger Wirkung.
In der ESt-Akte (Bl. 69) befindet sich zudem ein Schreiben des beurkundenden Notars an den Steuerberater der Kläger vom 13. Juni 2000, wonach er die Eigentumsumschreibung beim AG B – Grundbuchamt – beantragen werde, sobald die entsprechenden Voraussetzungen vorlägen. Nach erfolgter Eigentumsumschreibung, also Erbringung der übernommenen, neuen Stammeinlage, erfolge sodann die Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister.
Mit Bescheid vom 15. September 2000 setzte der Beklagte die ESt 1999 erklärungsgemäß fest. Im Rahmen einer in 2002 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Kapitalerhöhung um 5.000,– DM nicht in das Handelsregister eingetragen worden war. Die Voraussetzungen für eine erfolgsneutrale Einbringung des Einzelunternehmens der Klägerin in die GmbH waren nach seiner Auffassung nicht gegeben, da die Einbringung nicht gegen Gewährung neuer Anteile erfolgt sei, da neue Anteile mangels Handelsregistereintragung überhaupt nicht entstanden seien. Dass die Eintragung unterblieben sei, ergebe sich u.a. aus dem letzten dem Beklagten vorliegenden Handelsregisterauszug. Danach sei das Stammkapital der GmbH mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 27.12.2001 um 3.435,– Euro auf 29.000 Euro erhöht worden. Danach müsse es vorher noch – wie seit der Gründung – 25.565 Euro (= 50.000,– DM) betragen haben. Eine Erhöhung zum 31.12.1999 bzw. 1.1.2000 um 5.000,– DM sei somit nicht eingetragen worden. Die Nichteintragung werde im Übrigen auch nicht bestritten. Die Einbringung des Einzelunternehmens ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten sei daher als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG zu werten. Der Prüfer ermittelte daraufhin einen Aufgabegewinn von 824.202,– DM. Hin...