Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Einlage eines Einzelunternehmens in eine GmbH
Leitsatz (NV)
§ 6 Abs. 3 EStG findet keine Anwendung auf Fälle, in denen vom Gesellschafter einer GmbH ein Betrieb dieses Gesellschafters auf die GmbH in der Form einer verdeckten Einlage übertragen wird. Da der verdeckten Einlage eine Entnahme zwangsläufig vorausgeht, ist der Vorgang als Betriebsaufgabe zu beurteilen, so dass eine Betriebsübertragung nicht mehr möglich ist.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 4; EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, § 16
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die als Ehegatten im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, waren zu je 50 % (= Anteil am Stammkapital jeweils 25 000 DM) Gesellschafter der Ende 1987 gegründeten X-GmbH (GmbH). Ab dem 1. Januar 1988 verpachtete der Vater der Klägerin (V) seinen Gewerbebetrieb an die GmbH. Das Umlaufvermögen und unbedeutende Teile des Anlagevermögens veräußerte er an die GmbH. Eine Betriebsaufgabe erklärte er nicht. Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 übertrug V der Klägerin den verpachteten Gewerbebetrieb. In der Folgezeit erklärte die Klägerin hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 beantragte der steuerliche Berater der Kläger beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen ab 2000. Zur Begründung führte er aus, ab dem 1. Januar 2000 habe die Klägerin keinerlei Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Am 7. August 2000 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für 1999 ein. Hierin erklärten sie Einkünfte aus der gewerblichen Verpachtung in Höhe von 12 703 DM. Da sich aus dem Jahresabschluss der Klägerin zum 31. Dezember 1999 kein Aufgabegewinn ergab, bat das FA mit Schreiben vom 29. August 2000 um Stellungnahme. Die Kläger teilten daraufhin unter Hinweis auf die notariellen Verträge vom 29. Mai 2000 mit, das bislang gewerblich an die GmbH vermietete Grundstück sei zu Buchwerten in die Gesellschaft eingebracht worden. Die GmbH habe am 29. Mai 2000 eine Erhöhung ihres Stammkapitals um 5 000 DM beschlossen; die Klägerin habe ebenfalls mit notariellem Vertrag vom 29. Mai 2000 ihr bislang als Einzelunternehmen geführtes Verpachtungsunternehmen mit allen Aktiva und Passiva (insbesondere dem Betriebsgrundstück in der H-Straße) gegen Übernahme der Stammeinlage von 5 000 DM mit der Maßgabe in die GmbH eingebracht, dass für die Einbringungsverwertung die Buchwerte des Betriebsvermögens zum 31. Dezember 1999 gelten sollten. Besitz, Nutzen und Lasten seien mit sofortiger Wirkung auf die GmbH übergegangen. Nach Übergang des Eigentums am Betriebsgrundstück sollte nach einem Schreiben des beurkundenden Notars vom 13. Juni 2000 an den Steuerberater der Kläger, das sich in der Steuerakte des FA befindet, die Kapitalerhöhung zum Handelsregister angemeldet werden.
Mit Bescheid vom 15. September 2000 setzte das FA die Einkommensteuer 1999 erklärungsgemäß fest.
Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2001 verkaufte die Klägerin ihre Anteile an der GmbH an den Kläger. Am gleichen Tag wurde die Zusammenlegung und Umstellung auf € sowie eine Barkapitalerhöhung um 3 435,41 € auf insgesamt 29 000 € beschlossen. Ebenfalls mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2001 veräußerte die GmbH das Grundstück H-Straße zu einem Preis in Höhe von 950 000 DM an die Klägerin, die es ab dem 1. Januar 2002 an den Kläger verpachtete.
Im Rahmen einer im Jahr 2002 durchgeführten Außenprüfung stellte das FA fest, dass die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eingetragen worden war. Die Voraussetzungen für eine erfolgsneutrale Einbringung des Einzelunternehmens der Klägerin in die GmbH lägen damit nicht vor, da es nicht gegen Gewährung neuer Anteile in die GmbH eingebracht worden sei. Die Einbringung des Einzelunternehmens ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten sei als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 Einkommensteuergesetzes (EStG) zu werten. Das FA ermittelte daraufhin einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 824 202 DM. Den Feststellungen der Außenprüfung folgend erließ das FA am 12. März 2003 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999.
Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA am 17. September 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, der Einkommensteuerbescheid sei nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändert worden, da die Tatsache der Nichteintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister erst nach Abschluss der Veranlagung 1999 dem FA bekannt geworden sei. Im nachfolgenden Klageverfahren schloss sich das FA im Anschluss an einen Erörterungstermin der Auffassung des Finanzgerichts (FG) an, dass --wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG)-- die Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG nicht greife und der Betriebsaufgabegewinn nicht im Veranlagungszeitraum 1999, sondern ggf. im Veranlagungszeitraum 2000 zu erfassen sei. Das FA erließ am 9. Januar 2006 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 und stellte die Kläger klaglos. Die Beteiligten erklärten sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 vom 14. Mai 2001 machten die Kläger keine Angaben zur Einbringung des Einzelunternehmens der Klägerin in die GmbH. Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 setzte das FA die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das FA am 26. Juni 2002 einen auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten --hier nicht streitigen-- Änderungsbescheid. Unter dem 9. Januar 2006 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2000 nach § 174 AO und unterwarf nun den Aufgabegewinn im Jahr 2000 der Besteuerung.
Zur Begründung ihres Einspruchs trugen die Kläger vor, die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 AO lägen nicht vor. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO sei, dass die Veranlagung für das Jahr 1999 ausschließlich aufgrund der irrigen Beurteilung eines Sachverhalts zu korrigieren sei. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage hat das FG mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 482 veröffentlichtem Urteil stattgegeben. Es könne dahinstehen, ob der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 26. Juni 2002 überhaupt materiell rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls seien die Voraussetzungen für eine Änderung dieses bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nach § 174 Abs. 4 AO nicht gegeben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 174 AO. § 174 Abs. 4 AO setze lediglich einen fehlerhaften, aber gleichwohl wirksamen Steuerbescheid voraus, der nur nicht nichtig sein dürfe. Weitergehende Voraussetzungen zur Anwendung der Vorschrift ließen sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen. Im Übrigen habe der Steuerbescheid für 1999 vom 15. September 2000 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden können. Das FA sei im Zeitpunkt der abschließenden Bearbeitung der Veranlagung davon ausgegangen, dass der gesamte Vertrag vom 29. Mai 2000 vertragsgetreu umgesetzt und die Kapitalerhöhung ins Handelsregister eingetragen worden sei.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA übersehe, dass § 174 Abs. 4 AO eine adäquate Kausalität voraussetze und der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. September 2000 nicht nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe geändert werden können.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 26. Juni 2002 nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden konnte.
1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Die Regelung bezweckt den Ausgleich einer zu Gunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung; derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475, unter II.2. der Gründe; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 174 AO Nr. 5). Wie der Große Senat des BFH entschieden hat, regelt die Vorschrift die verfahrensrechtlichen (inhaltlichen) Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten. Diese Aufhebung oder Änderung löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1. der Gründe; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 48). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO).
§ 174 Abs. 4 AO eröffnet der Finanzbehörde die Möglichkeit, Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt, die zunächst nicht im "richtigen" Bescheid, sondern in einem anderen Verfahren gezogen wurden, durch Änderung des "richtigen" Bescheids oder durch erstmaligen Erlass eines solchen zu einem späteren Zeitpunkt noch zu ziehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Februar 2001 I R 29/99, BFH/NV 2001, 1099, m.w.N.). Ausweislich der Gesetzesmaterialien regelt § 174 Abs. 4 AO den Fall, dass die Finanzbehörde oder das Gericht aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten ändert. In dieser Konstellation lässt die Vorschrift zu, dass aus dem nämlichen ("bestimmten") Sachverhalt nunmehr ohne Rücksicht auf die etwaige Bestandskraft einer anderen Steuerfestsetzung nachträglich die richtigen steuerlichen Konsequenzen gezogen werden (BTDrucks VI/1982, 153, 154 rechte Spalte Mitte; BFH-Urteil vom 8. Juli 1992 XI R 54/89, BFHE 168, 231, BStBl II 1992, 867).
Im Streitfall betrifft die irrige Beurteilung das Jahr der Erfassung des Aufgabegewinns. Das FA hat den Aufgabegewinn in Zusammenhang mit der Einbringung des Einzelunternehmens der Klägerin in die GmbH zunächst im Veranlagungszeitraum 1999 der Besteuerung unterworfen. Aufgrund des Klageverfahrens gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 12. März 2003 wurde dieser Bescheid durch Änderungsbescheid vom 9. Januar 2006 zu Gunsten der Kläger dahingehend geändert, dass ein Aufgabegewinn in 1999 nicht zu besteuern ist.
2. Es kann dahinstehen, ob --wie das FG annimmt-- § 174 Abs. 4 AO nur dann eine Änderungsmöglichkeit eröffnet, wenn sich die irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts lediglich auf die richtige Anwendung des materiellen Rechts beschränkt, wenn also der "richtige Steuerbescheid" im Zeitpunkt des Erlasses des auf Initiative des Steuerpflichtigen später aufgehobenen oder geänderten Steuerbescheids nach den Vorschriften der AO noch hätte geändert werden können, oder ob die Vorschrift eine uneingeschränkte Fehlerkorrektur ermöglicht. Im Streitfall hätte jedenfalls der Einkommensteuerbescheid 2000 im Zeitpunkt der Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden können.
a) Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann.
b) Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 26. Juni 2002 war materiell rechtswidrig.
aa) Die beabsichtigte Einbringung des Einzelunternehmens der Klägerin in die GmbH gegen Gewährung neuer Anteile ist an der fehlenden Eintragung der beschlossenen Kapitalerhöhung gescheitert; die Sacheinlage war daher nicht nach § 20 UmwStG begünstigt. Auch die Regelung in § 20 Abs. 8 Satz 3 UmwStG, wonach die Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden darf, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags und höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die Kapitalgesellschaft übergeht, konnte nicht greifen. Die Einbringung konnte nicht auf den 31. Dezember 1999 zurückbezogen werden, weil der Klägerin keine neuen Anteile als Gegenleistung für die Einbringung des Einzelunternehmens gewährt wurden. Ein Aufgabegewinn war nicht im Veranlagungszeitraum 1999 zu erfassen.
bb) Der Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG ist im Veranlagungszeitraum 2000 anzusetzen.
aaa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Letztere Voraussetzung ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt hätte (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. Juli 2005 X R 22/02, BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457, m.w.N).
Im Streitfall liegt eine solche verdeckte Einlage vor, weil die Klägerin der GmbH, an der sie zu diesem Zeitpunkt mit 50 % beteiligt war, Wirtschaftsgüter zuwendete, ohne dafür neue Gesellschaftsanteile oder eine sonstige Bar- oder Sachvergütung zu erhalten.
bbb) Eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft stellt nach gefestigter Rechtsprechung des BFH --anders als die sog. offene, gegen die Gewährung neuer Gesellschaftsanteile vollzogene Einlage-- einen unentgeltlichen Vorgang dar (Senatsurteil in BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457). Die Wertsteigerung, welche die Beteiligung der Klägerin in Folge der verdeckten Einlage erfahren hat, kann nicht als Gegenleistung angesehen werden. Sie ist nur eine Reflexwirkung der verdeckten Einlage, jedoch keine Gegenleistung im Sinne eines Veräußerungspreises.
ccc) Die Übertragung des Einzelunternehmens der Klägerin auf die GmbH führte zur Aufdeckung der in den Buchwertansätzen des Einzelunternehmens ruhenden stillen Reserven in Höhe von unstreitig 824 202 DM.
Die verdeckte Einlage von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters in das Vermögen der Kapitalgesellschaft führt dazu, dass die Einlagegüter nunmehr einem anderen Rechtsträger (Steuerrechtssubjekt) zuzurechnen sind. Daher hat der einlegende Gesellschafter grundsätzlich einen Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu versteuern. Denn der verdeckten Einlage von einzelnen Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen des einlegenden Gesellschafters geht grundsätzlich die vorherige Entnahme der nämlichen Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des Einlegenden voraus (Senatsurteil in BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457).
Diese Grundsätze gelten sinngemäß, wenn Gegenstand der verdeckten Einlage nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern (ganze) Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile sind. Allerdings tritt in diesen Fällen an die Stelle der der verdeckten Einlage vorausgehenden Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG der beim einlegenden Gesellschafter nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG begünstigt zu versteuernde Tatbestand der Betriebsaufgabe, Teilbetriebsaufgabe oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils (vgl. Senatsurteil in BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457, m.w.N.).
Der Annahme einer zur Realisierung der im Betrieb vorhandenen stillen Reserven führenden Betriebsaufgabe steht nicht die in § 6 Abs. 3 EStG getroffene Regelung entgegen. Die Regelung findet keine Anwendung auf Fälle, in denen vom Gesellschafter einer GmbH ein Betrieb dieses Gesellschafters auf die GmbH in der Form einer verdeckten Einlage übertragen wird. Da der verdeckten Einlage eine Entnahme zwangsläufig vorausgeht, ist der Vorgang als Betriebsaufgabe zu beurteilen, so dass eine Betriebsübertragung nicht mehr möglich ist (BFH-Urteile in BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457; vom 18. Dezember 1990 VIII R 17/85, BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512, m.w.N. zu § 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung).
Dass die Regelungen über die Betriebsaufgabe Vorrang vor § 6 Abs. 3 EStG haben, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 3 EStG. Dieser besteht darin, die Versteuerung der stillen Reserven sicherzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512, m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieses Zwecks könnte eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG durch eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft nur dann verneint werden, wenn die spätere Erfassung der in dem übertragenen Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven sowohl bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als auch beim Einbringenden gesichert wäre. Mit der Fortführung der Buchwerte durch die GmbH wäre zwar gewährleistet, dass die stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern der Besteuerung nicht entgehen. Die Versteuerung der stillen Reserven bei der Klägerin als Übertragender ist jedoch nicht sichergestellt, weil die Klägerin keine Anteile an der Kapitalgesellschaft erhalten hat, die einkommensteuerrechtlich verhaftet sind.
c) Die Nichteintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister ist eine Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Sachverhaltsbestandteile, die Merkmal oder Teilstück des gesetzlichen Steuertatbestandes sein können, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Januar 2006 II R 61/04, BFH/NV 2006, 1059). Tatsachen sind die Merkmale, die den steuerlichen Tatbestand ausfüllen, weil sie unter den Tatbestand subsumiert die steuerliche Folge ergeben. Merkmal oder Teilstück i.S. der nach § 20 UmwStG begünstigten Einbringung ist die Gewährung neuer Gesellschaftsanteile als Gegenleistung. Da Satzungsänderungen einer GmbH erst mit ihrer konstitutiven Eintragung im Handelsregister wirksam werden (§ 54 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung), ist die Eintragung bzw. Nichteintragung der Kapitalerhöhung Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
d) Die Nichteintragung der Kapitalerhöhung ist dem FA nachträglich bekannt geworden.
Nachträglich bekannt werden Tatsachen und Beweismittel, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in welchem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. November 1996 IX R 77/95, BFHE 182, 2, BStBl II 1997, 422).
aa) Aufgrund des in den Akten des FA befindlichen Schreibens des die Kapitalerhöhung beurkundenden Notars an den Steuerberater der Kläger vom 13. Juni 2000 wurde dem FA nicht bekannt, dass die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eingetragen wurde. Aus diesem Schreiben ergibt sich lediglich, dass die Kapitalerhöhung nach Umschreibung des Grundstückseigentums zum Handelsregister angemeldet werden sollte.
bb) Aufgrund der Angaben der Kläger in ihrer Steuererklärung für 1999 in Verbindung mit ihrem Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für 2000 konnte und musste das FA davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des § 20 UmwStG vorlagen, somit also auch die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister vorgenommen worden war.
Die Kläger haben zur Begründung ihres Antrags auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2000 vom 26. Juni 2000 erklärt, die Klägerin habe ab dem 1. Januar 2000 keinerlei Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gleichwohl haben sie in ihrer Steuererklärung für das Jahr 1999 keinen Aufgabegewinn erklärt. Trotz der Eindeutigkeit dieser Erklärung und obwohl das FA eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen braucht und es regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588), hat es mit Schreiben vom 29. August 2000 wegen des Aufgabegewinns bei den Klägern nachgefragt. Der steuerliche Berater der Kläger teilte dem FA daraufhin mit, das Grundstück (= das einzige Wirtschaftsgut des Einzelunternehmens der Klägerin mit nennenswerten stillen Reserven) sei zu Buchwerten in die GmbH eingebracht worden. Zugleich verwies er auf die notariellen Verträge vom 29. Mai 2000, wonach das Stammkapital der GmbH von 50 000 DM auf 55 000 DM erhöht und die Klägerin zur Übernahme dieses Stammkapitals zugelassen wurde. Die Einlage sollte die Klägerin durch Einbringung ihres bisherigen Einzelunternehmens mit allen Aktiven und Passiven in die GmbH leisten. Der Besitz u.a. auch am Betriebsgrundstück sollte mit sofortiger Wirkung übergehen und die Klägerin bewilligte und der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH beantragte die Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch.
Diese Informationen in Verbindung mit der eindeutigen Steuererklärung der Kläger für 1999 konnte das FA nur dahingehend verstehen, dass die Voraussetzungen für eine begünstigte Einbringung nach § 20 UmwStG vorlagen, also der Klägerin als Gegenleistung Gesellschaftsrechte gewährt wurden und die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wurde.
Im Streitfall haben die Kläger bzw. ihr Berater --dessen Verhalten den Klägern zuzurechnen ist-- somit zu entscheidungserheblichen Fragen inhaltlich unrichtige Angaben gemacht. Deshalb können sie sich nicht darauf berufen, dass das FA den richtigen Sachverhalt hätte genauer ermitteln müssen (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2000 III B 43/00, BFH/NV 2001, 744; v.Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 74).
Auf die Frage, wer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür trägt, dass die für die Änderung des Bescheids erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere dafür, dass Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 I R 140/97, BFHE 186, 124, BStBl II 1998, 599), kommt es nach alledem nicht an.
e) Wenn das FG darauf abstellt, der zuständige Bearbeiter des FA hätte im Streitfall nicht allein aufgrund der von der Klägerin geäußerten Absicht, die Einbringung solle gegen Gewährung neuer Anteile erfolgen, so verfahren dürfen, als sei der Tatbestand des § 20 UmwStG bereits erfüllt, verkennt es, dass die Kläger in der Steuererklärung und ihr Berater in der Beantwortung der Anfrage des FA eindeutig zum Ausdruck gebracht haben, zum 31. Dezember 1999 sei kein Aufgabegewinn entstanden. Dies setzt das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 UmwStG und damit auch die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister voraus.
Fundstellen
Haufe-Index 2184118 |
BFH/NV 2009, 1411 |
HFR 2009, 967 |