Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerrechtliche Anerkennung von Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen bei Zweifeln am Rechtsbindungswillen aufgrund jahrelang nicht erbrachter Altenteilsleistungen und Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten nach Verurteilung zur Zahlung von Barleistungen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 6/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest?)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind und tatsächlich wie vereinbart erbracht werden. Hinsichtlich aller geschuldeten, zum Mindestbestand von Versorgungsverträgen gehörenden, als typusprägend und jeweils gleichgewichtig anzusehenden Versorgungsleistungen (hier: Altenteilsrecht auf Lebenszeit einschließlich Wohnrecht; Betreuungs- und Unterhaltsanspruch; Barleistungen) muss ein Rechtsbindungswille gegeben sein.
2. Bei Abweichungen des Vollzugs eines Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrags von den vertraglichen Vereinbarungen ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt (hier: über mehrere Jahre ausbleibende bzw. verweigerte Zahlung des Baraltenteils ohne Änderungen der Verhältnisse; keine vertragliche Koppelung der Bemessung oder Zahlung des Baraltenteils an geplante Verpachtung von Wirtschaftsflächen). Die Weigerung der Zahlung des vertraglich vereinbarten Baraltenteils bis zum Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Urteils ist ein sehr starkes Indiz für das Fehlen eines Rechtsbindungswillens.
3. Auch nach Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten aufgrund der Verurteilung zur Zahlung des Baraltenteils scheidet eine Berücksichtigung der Barleistungen als Sonderausgaben aus, da die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen vom Vorliegen eines Rechtsbindungswillens im steuerrechtlichen Sinne bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abhängt.
Normenkette
EStG 2007 § 22 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger eine dauernde Last als Sonderausgaben bei der Ermittlung der Einkommensteuer für das Jahr 2017 abziehen können.
Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr gemäß §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 beantragte die Klägerin den Abzug von X EUR als dauernde Last, die sich wie folgt ermittelte:
Wohnrecht / freie Unterkunft Abzgl. 15 % |
X EUR × 12 = |
X EUR ./. X EUR |
Energiekosten (Strom / Heizung anteilig) |
X EUR × 12 = |
X EUR |
Freie Verpflegung |
X EUR × 12 = |
X EUR |
Barleistungen |
X EUR × 12 = |
X EUR |
Rechtsanwaltsgebühren |
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X EUR |
Insgesamt |
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X EUR |
Mit Vertrag vom 00.00.2001 des Notars H (UR-Nr. 1/2001) hatten die Eltern der Klägerin (die Beigeladen und ihr am 00.00.2010 verstorbener Ehemann) ihre landwirtschaftliche Besitzung (eingetragen im Grundbuch von G, Blatt 0001) an die Klägerin zum 00.00.2001 übertragen. In § 5 des Vertrages gewährte die Klägerin ihren Eltern ein dort näher aufgeführtes Altenteilsrecht auf Lebenszeit. Dieses Altenteilsrecht beinhaltet das Wohnrecht an den im Erdgeschoss des Hauses A-Straße 1 gelegenen Räumlichkeiten (§ 5 Abs. 2), einen lebenslänglichen Betreuungs- und Unterhaltsanspruch, der auch Barleistungen einschließt, angemessene Fahrdienste, Anspruch auf vollen Familienanschluss einschließlich der unentgeltlichen Beköstigung, jedoch keine Pflegeverpflichtung (§ 5 Abs. 3) sowie einen Anspruch auf bare Geldleistung i. H. v. monatlich X DM, der erstmals ab dem 01.01.2004 zu erfüllen sei (§ 5 Abs. 4). In § 5 Abs. 5 des Vertrages vom 00.00.2001 vereinbarten die Vertragsparteien, dass was am Ende eines Kalenderjahres von den Altenteilsleistungen nicht geltend gemacht worden sei, als von Anfang an verfallen gelte. In § 5 Abs. 6 vereinbarten die Vertragsparteien weiter, dass Übereinstimmung bestehe, dass die hier vereinbarten Altenteilsleistungen, insbesondere die bar zu erbringenden Leistungen, nach der Leistungsfähigkeit des Hofes und der Klägerin, dem Leistungsbedarf der Eltern der Klägerin und den derzeitigen allgemeinen Kaufkraftverhältnissen bemessen seien. Sollten sich gegenüber den zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen wesentliche und nachhaltige Veränderungen ergeben, so seien die Beteiligten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu einer angemessenen Anpassung nach den Bestimmungen des § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) verpflichtet. Bezüglich des Barunterhaltes werde ausdrücklich vereinbart, dass ein etwaiger Mehrbedarf aufgrund der Unterbringung der Eltern der Klägerin in einer externen pflegerischen Einrichtung im Rahmen des § 323 ZPO keine Berücksichtigung finde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 00.00.2001 Bezug genommen.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin ...