Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1993

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.1997; Aktenzeichen VI R 108/96)

 

Tenor

Der geänderte Einkommensteuerbescheid des Beklagten vom 22.11.1994 und die Einspruchsentscheidung vom 2.1.1995 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuer (ESt) – Veranlagung 1993, ob der Klägerin (Klin.) ein voller oder nur ein halber Kinderfreibetrag zusteht.

Die Klin. Erzielte 1993 (Streitjahr) als Krankenschwester einen Bruttoarbeitslohn von 59.575 DM. Sie lebt zusammen mit ihrer am 21.2.1982 geborenen Tochter in einem Haushalt. In ihrer ESt-Erklärung 1993 beantragte die Klin. bezüglich ihrer Tochter die Gewährung eines vollen Kinderfreibetrags, weil der Vater des Kindes, der Beigeladene, seine Unterhaltsverpflichtung nicht mindestens zu 75 % erfüllt habe.

Der Beklagte (Bekl.) gewährte zunächst antragsgemäß einen vollen Kinderfreibetrag für ein Kind (ESt-Bescheid 1993 vom 4.7.1994, auf den verwiesen wird.)

Das für den Beigeladenen zuständige Finanzamt …, das vom Bekl. von der Gewährung des vollen Kinderfreibetrags unterrichtet worden war, teilte dem Bekl. mit, daß für den Beigeladenen eine Unterhaltsverpflichtung von monatlich 169 DM bestehe. Dieser Unterhaltsverpflichtung sei der Beigeladene 1993 nachgekommen, so daß ihm ein halber Kinderfreibetrag zustehe.

Das Jugendamt des … Kreises als Amtspfleger des Kindes teilte dem Bekl. mit, daß vom Beigeladenen, der keiner Beschäftigung nachgehe, im Rahmen seines Taschengeldanspruchs 5 % vom Einkommen seiner – des Beigeladenen – Ehefrau als Unterhalt für die Tochter gefordert würden, was zur Zeit einen Betrag von monatlich 169 DM ausmache, den der Beigeladene regelmäßig zahle.

Unter dem 22.11.1994 erließ der Bekl. einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid 1993, auf den verweisen wird. Darin wurde nur noch ein halber Kinderfreibetrag anerkannt.

Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch trug die Klin. vor: Bemessungsgrundlage für die Prüfung, ob der Beigeladene seine Unterhaltsverpflichtung mindestens zu 75 % erfüllt habe, könne nicht der Betrag sein, der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten gezahlt werden, sondern, müsse der Regelunterhalt sein, der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebe. Danach müsse der Kindesvater mindestens 353 DM monatlich zahlen. Da der Beigeladene tatsächlich aber nur 169 DM monatlich gezahlt habe er weniger als 75 % seiner Unterhaltsverpflichtung erfüllt.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung – EE – vom 2.1.1995, auf die verwiesen wird.). Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) könne der Kinderfreibetrag eines Elternteils auf den anderen nur übergehen, wenn der eine Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nicht im wesentlichen nachkomme. Nach Abschnitt 181 a Abs. 2 Satz 4 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) sei auf den individuell festgesetzten Unterhalt abzustellen. Diesen habe der Beigeladene gezahlt.

Mit ihrer Klage wendet die Klin. sich weiterhin gegen den geänderten ESt-Bescheid 1993. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG sei verfassungskonform auszulegen. Eine derartige Auslegung könne im vorliegenden Fall nur dazu führen, daß ihr, der Klin., der volle Kinderfreibetrag gewährt werde.

Die Klin. beantragt,

den geänderten ESt-Bescheid 1993 des Bekl. vom 22.11.1994 und die EE vom 2.1.1995 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen in der EE und trägt ergänzend vor, daß er nicht nur an das Gesetz, sondern auch an die EStR gebunden sei.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Einer Übertragung des vollen Kinderfreibetrages auf die Klin. hat er seine Zustimmung verweigert.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene geändert ESt-Bescheid 1993 vom 22.11.1994 und die EE vom 2.1.1995 sind rechtswidrig und daher aufzuheben, so daß der ursprüngliche ESt-Bescheid 1993 vom 4.7.1994 wieder gültig ist.

Der Klin. steht ein voller Kinderfreibetrag zu.

Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG wird bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im wesentlichen nachkommt, oder wenn der andere Elternteil – was im Streitfall nicht ges...

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