Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung
Leitsatz (redaktionell)
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen des § 2 Abs. 3 S. 2 bis 8 EStG a.F. bestehen auch bei "echten" Verlusten nicht, wenn dem Steuerpflichtigen nach Anwendung der Mindestbesteuerungsvorschriften mehr als das Existenzminimum verbleibt.
Normenkette
EStG a.F. § 2 Abs. 3 S. 2 ff
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur sogenannten Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG a.F.
Der Kläger (Kl.) erzielte im Streitjahr als selbständiger Zahnarzt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 282.669 EUR. Die Einkünfte aus der Vermietung von bebauten Grundstücken und aus Beteiligungen an Vermietungsobjekten betrugen insgesamt ./. 209.289 EUR.
Unter Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG wurden die Verluste aus Vermietung und Verpachtung (209.289 EUR) im Einkommensteuer(ESt)-Bescheid 2002 vom 09.06.2004 nur in Höhe von 167.085 EUR mit dem Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit verrechnet und im Übrigen den Verlustvorträgen des Vorjahres hinzugerechnet. Nach dem ESt-Bescheid 2002 beträgt das zu versteuernde Einkommen 101.460 EUR und die festgesetzte ESt 40.263 EUR. Bei einem vollständigen Verlustausgleich – ohne Anwendung von § 2 Abs. 3 EStG – hätte sich ein zu versteuerndes Einkommen von 59.256 EUR und eine ESt von 19.799 EUR ergeben.
Der gegen den ESt-Bescheid 2002 eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung der gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 21.06.2004 erhobenen Klage trägt der Kl. vor, die Regelung in § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG a.F. sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, weil sie nicht nur Buchverluste, sondern alle negativen Einkünfte erfasse, also auch solche, die auf wirtschaftlicher Tätigkeit beruhten. Die von ihm erlittenen Verluste seien keine Buchverluste. Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung resultierten nicht aus sogenannten Steuersparmodellen.
Im Übrigen verstoße § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG auch gegen das in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerte Bestimmtheitsgebot, weil die Regelung wegen der Kompliziertheit für den Steuerpflichtigen nicht nachvollziehbar sei.
Der Kl. beantragt sinngemäß,
den ESt-Bescheid 2002 vom 09.06.2004 in der Gestalt der EE vom 21.06.2004 zu ändern und die ESt 2002 unter Berücksichtigung der erzielten Verluste festzusetzen,
hilfsweise, im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte (Bekl.) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG a.F. sei nicht verfassungswidrig. Das der Regelung zugrunde liegende Verteilungsprinzip gelte auch beim Verlustvor- und -rücktrag nach § 10 d EStG und anderen Verlustabzugsbeschränkungen (etwa in §§ 15 Abs. 4 und 15 a EStG). Sie führe im Streitfall auch nicht zu einer Besteuerung des Existenzminimums.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Steuerakte Bezug genommen.
Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Bekl. hat die ESt 2002 zutreffend auf der Basis des § 2 Abs. 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999 ff – aufgehoben durch das Korb-II-Gesetz vom 22.12.2003, BGBl I 2140 – festgesetzt. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Bekl. § 2 Abs. 3 EStG a.F. zutreffend angewendet hat. Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Verlustausgleichs hat der Senat im Streitfall nicht.
Der Bundesfinanzhof (Beschlüsse vom 06. März 2003 XI B 7/02 bzw. XI B 76/02, BFHE 202, 141 bzw. 147, BStBl II 2003, 516 bzw. 523; vom 07. Juli 2004 XI B 231/02, BFH/NV 2005, 178; vom 29. April 2005 XI B 127/04, BFH/NV 2005, 1189) hat gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG a.F. nur insoweit Bedenken geäußert, als in Anwendung der Norm eine ESt selbst dann festzusetzen ist, wenn die beschränkt ausgleichsfähigen negativen Einkünfte die positiven Einkünfte dergestalt übersteigen, dass dem Steuerpflichtigen infolge des tatsächlichen Mittelabflusses von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Verlustausgleich bei Vorliegen „echter”, durch tatsächlichen Mittelabfluss entstandener, die positiven Einkünfte übersteigender Verluste begrenzt wird (BFH, Beschluss vom 25.02.2005 XI B 78/02, BFH/NV 2005, 1279). Bei der Prüfung, ob dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen zumindest das Existenzminimum verbleibt, können nur die jeweiligen positiven und negativen Einkünfte des betreffenden Veranlagungszeitraums berücksichtigt werden. Verluste anderer Veranlagungszeiträume sind ebenso wenig einzubeziehen wie etwa Veränder...