Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageerhebung durch einen Steuerberater postalisch grundsätzlich nicht zulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerberater muss eine finanzgerichtliche Klage als elektronisches Dokument einreichen, wenn für ihn ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) als sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht.

2. Die aktive Nutzungspflicht beginnt, sobald die Bundessteuerberaterkammer dem jeweiligen Steuerberater die Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben für das beSt übersandt hat.

 

Normenkette

FGO § 52a Abs. 4 S. 1 Nrn. 2, 4, §§ 52d, 56, 62 Abs. 2 S. 1, §§ 90a, 47 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Der erkennende Senat wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.2.2023 als unzulässig ab.

Dieser wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, einer Steuerberaterin, gemäß Postzustellungsurkunde am 27.2.2023 zugestellt.

Mit in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfenen Schriftsatz datierend auf den 26.3.2023, eingegangen bei Gericht am 27.3.2023, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mündliche Verhandlung.

Der Berichterstatter hat – nachdem ihm der Schriftsatz vorgelegt wurde – in einem Vermerk vom 27.3.2023 Folgendes festgehalten: „Um 15:03 Uhr, um 15:06 Uhr und um 15:15 Uhr habe ich versucht, die Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch zu erreichen, um mitzuteilen, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung formunwirksam eingereicht wurde. Der Schriftsatz vom 26.3.2023, mit dem mündliche Verhandlung beantragt wurde, ist postalisch bei Gericht eingegangen, obwohl die Prozessbevollmächtigte als Steuerberaterin gemäß § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ihr besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) zu verwenden hatte. Sofern nicht noch ein formwirksamer Antrag eingeht, wird der Gerichtsbescheid vom 21.2.2023 mit Ablauf des heutigen Tages (27.3.2023) rechtskräftig und wirkt als unanfechtbares Urteil.”

Nachdem die Geschäftsstellte des erkennenden Senats vergeblich versucht hatte, eine Abschrift des Vermerks an das beSt der Prozessbevollmächtigten zu senden, wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers der Schriftsatz per Fax übermittelt. Auf den übermittelten Vermerk reagierte die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beklagten unter Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2018 vom 16.12.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 24.8.2021 zu verpflichten, für die Streitjahre 2009 bis 2018 eine Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner damaligen Ehefrau nach § 26b des Einkommensteuergesetzes durchzuführen, sowie den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 2018 und den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 2018 vom 16.12.2020 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

festzustellen, dass der Gerichtsbescheid vom 21.2.2023 als Urteil wirkt,

hilfsweise, die Klage abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Gerichtsbescheid vom 21.2.2023 wirkt als Urteil. Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist nicht in der gem. § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen elektronischen Form bei Gericht eingegangen und damit unwirksam.

1. Nach Ergehen eines Gerichtsbescheides können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung mündliche Verhandlung beantragen (§ 90a Abs. 2 Satz 1 FGO). Wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen (§ 90a Abs. 3 FGO).

2. Gemäß § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 FGO zur Verfügung steht. Nach finanzgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. FG Münster, Gerichtsbescheid vom 14.4.2023 7 K 86/23 E, juris), der sich der erkennende Senat anschließt, greift die aktive Nutzungspflicht ein, sobald die Bundessteuerberaterkammer dem jeweiligen Steuerberater die Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben für das beSt übersandt hat. Ab diesem Zeitpunkt steht dem Steuerberater ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52d Satz 2 FGO „zur Verfügung”. Eine Prozesserklärung, die gegen § 52d FGO verstößt, ist formunwirksam (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschlüsse vom 27.4.2022 XI B 8/22, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2022, 1057 und vom 23.8.2022 VIII S 3/22, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 276, 566, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2023, 83).

Als Steuerberaterin unterliegt die Bevollmächtigte dem persönlichen Anwendungsbereich des § 52d Satz 2 FGO. Sie ist nach § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO ve...

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