Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines selbständig tätigen polnischen Trockenbauers

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein selbständig tätiger polnischer Staatsangehöriger, der nicht der deutschen Rentenversicherung unterliegt und auch nicht in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig ist, hat für seine in Polen bei der Kindesmutter lebenden Kinder keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld nach den Regelungen der VO (EWG) 1408/71.

2) Weist der Kindesvater, der zwar die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllt, nicht anhand des Vordrucks E 411 nach, ob und in welchem Umfang die Kindesmutter in Polen Familienleistungen bezogen hat, schließt § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG einen Kindergeldanspruch nach §§ 62 ff. EStG aus. Insoweit trägt der Kindesvater eine erhöhte Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO.

 

Normenkette

EStG § 65 Abs. 1 Nr. 2; VO (EWG) 14078/71 Art. 1 lit. a; AO § 90 Abs. 2; EStG § 62

 

Tatbestand

Streitig ist die Kindergeldfestsetzung in voller Höhe für die in Polen lebenden Kinder des Klägers für die Streitmonate Juli 2007 bis August 2007.

Der Kläger erhält durch Bescheid vom 30.6.2007 Kindergeld in hälftiger Höhe, also in Höhe von 77,00 Euro monatlich für seine beiden Kinder E, geb. 11.6.1991, und D, geb. 1.12.1994. Diese wohnen in Polen bei der Kindesmutter, der Ehefrau des Klägers, zusammen mit dem Kind R. Für dieses Kind, geboren am 24.1.1982, erhält der Kläger Kindergeld in voller Höhe seit Juli 2007 laut diesem Bescheid, da der polnische Staat für Kinder ab 21 Jahren kein Kindergeld zahle.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und in Deutschland wohnhaft. Er ist als selbständiger Dienstleister in der Trockenbau- und Renovierungsbranche tätig. Er ist in Deutschland nicht rentenversicherungspflichtig. Für die beiden Kinder E und D erhielt die Ehefrau keine polnische Familienleistung, da sie keinen Antrag gestellt hatte (Bl. 45 d. Kdg-Akte). Bis März 2006 sind für diese Kinder 43 polnische Sloty gezahlt worden (Bl. 37 d. Kdg-Akte).

Der Kläger legte am 19.7.2007 Einspruch ein und beantragte, auch für die Kinder E und D Kindergeld in voller Höhe unter Anrechnung des polnischen Kindergeldes festzusetzen.

Durch Bescheid vom 31.8.2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Im vorliegenden Fall seien die Art. 76 bis 79 VO EG 1408/71 sowie Art. 10 DVO EG 574/72 nicht anwendbar, da der Kläger keine anspruchsberechtigte Person in Deutschland im Sinne der VO sei. Er sei kein Selbständiger i.S.d. Anhang I Teil I Buchstabe C VO. Die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und dem Anspruch in Polen müsse folglich durch die Auffangregelung des Art. 12 VO i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DVO gelöst werden. Gemäß Art. 7 Abs. 1 DVO seien Leistungen, die nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedsstaaten gegenseitig gekürzt, zum Ruhen oder entzogen werden können, durch die Zahl der zu kürzenden Leistungen zu teilen. Im vorliegenden Fall sei folglich das deutsche Kindergeld für die Kinder E und D nur hälftig festzusetzen.

Der Kläger hat am 21.9.2007 Klage eingereicht. Er ist der Ansicht, dass ihm Kindergeld auch für diese Kinder in voller Höhe zustehe. Davon sei der in Polen bestehende Kindergeldanspruch abzuziehen. Dieser bestehe derzeit in Höhe von 12 Euro je Kind. Ansonsten sei die Freistellung des in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Klägers i.S.d. § 31 EStG nicht gewährleistet. Die Beschränkung der Verordnung in der Form, dass eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht vorausgesetzt werde, sei auf die Familienleistungen zumindest seit der Einführung als Steuervergütung weder inhaltlich noch sachlich nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Änderung des Kindergeldfestsetzungsbescheides vom 30.6.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.8.2007 Kindergeld zusätzlich in Höhe von jeweils 65 Euro für die Monate Juli und August 2007 für die Kinder E und D festzusetzen.

hilfsweise im Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

hilfsweise im Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

Sie verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass zwar das deutsche Sozialrecht und damit auch das deutsche Kindergeldrecht aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers nach Art. 13 Abs. 2 lit. b VO grundsätzlich Anwendung finde. Nach Art. 73 VO habe ein Selbständiger, der der Bestimmung eines Mitgliedsstaates unterliegt, deshalb unabhängig davon, wo die Familienangehörigen wohnen, Anspruch auf die Sozialleistung im Staat, in dem er beschäftigt sei. Einschränkend sei aber aufgrund des Art. 1 VO der Anhang I zu beachten, der eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorschreibe, die hier nicht vorliege. Deshalb falle der Kläger nicht in den persönlichen Geltungsbereich der VO. Die Kindergeldgewährung sei deshalb nach §§ 62ff EStG zu regeln. Ein Anspruch auf Kindergeld scheide aufgrund des § 6...

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