Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. In Nordrhein-Westfalen werden sämtliche Konzernbetriebe eines Konzerns aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Sachnähe durch ein und dasselbe Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung steuerlich geprüft.
2. Zur Auslegung des Konzernbegriffs ist mangels Regelung in der AO oder im FVG auf §§ 15 ff. AktG zurückzugreifen.
3. §§ 15 ff. AktG sind nicht nur auf Aktiengesellschaften, sondern auf sämtliche Unternehmen anzuwenden.
4. Eine natürliche Person ist dann Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne, wenn sie neben der Beteiligung an der Gesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen hat, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, sie könne wegen dieser Bindung ihren aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Gesellschaft zu deren Nachteil ausüben.
Normenkette
AO §§ 17, 193 Abs. 1, § 195 S. 1; FVG § 17 Abs. 2 S. 3 Nr. 2; AktG §§ 16-18; BpO §§ 3, 13; FA-ZVO NRW § 22 Nr. 1; AO § 16
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung.
Herr X C hält, auch in den Jahren 2015 bis 2018 (Streitjahre), 100 % der Anteile an den folgenden Unternehmen: die in N ansässige C GmbH, W GmbH I & Co. KG, W GmbH II & Co. KG, W GmbH, der Komplementärin der beiden vorgenannten Kommanditgesellschaften, und der K GmbH, die 100% der Aktien an der Klägerin hält. Die Klägerin, die jedenfalls kein Großbetrieb i.S.d. § 3 Betriebsprüfungsordnung (BpO) ist, ist im Bezirk des Finanzamts F ansässig.
Ausweislich des Gesellschaftsvertrages der Klägerin und des Handelsregisterauszuges vom 26.04.2021 war im Streitzeitraum Gegenstand der Klägerin […].
In den Streitjahren erzielte die Klägerin folgende steuerliche Gewinne bzw. Verluste: 2015 i.H.v. 32.873 €, 2016 i.H.v. -239.491€, 2017 i.H.v. -148.931 € und 2018 i.H.v.-10.945 €.
In den Streitjahren erzielte die C GmbH folgende steuerliche Gewinne: 2015 i.H.v. 809.628 €, 2016 i.H.v. 1.281.884 €, 2017 i.H.v. 1.290.647 € und 2018 i.H.v. 633.226 €.
Mit Bescheid vom 27.10.2020 ordnete der Beklagte gestützt auf § 193 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung an. Die Prüfung bezog sich auf Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, gesonderte Feststellung gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 37 Abs. 2, 38 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG), gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer gemäß § 10d Einkommensteuergesetz i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, jeweils 2015 bis 2018 und die Feststellung vortragsfähiger Fehlbeträge § 10a Gewerbesteuergesetz vom 31.12.2015 bis 31.12.2018. Die Prüfung sollte voraussichtlich am 07.12.2020 beginnen; vorgesehene Prüfer waren Frau J und Frau L.
Auf Antrag der Klägerin stimmt der Beklagte zu, die Prüfung an Amtsstelle durchzuführen und verlegte den Beginn der Prüfung auf den 08.02.2021.
Am 03.11.2020 legte die Klägerin u.a. Einspruch „gegen die Anordnung einer steuerliche Außenprüfung vom 27.10.2020” ein. Sie war im Wesentlichen der Auffassung, der Beklagte sei für den Erlass der Anordnung funktional und sachlich nicht zuständig. Die Klägerin sei weder Großbetrieb i.S.d. § 3 BpO noch Konzern i.S.d. §§ 13 – 19 BpO. Die Klägerin liege weder bei den Umsatzerlösen noch beim steuerlichen Gewinn über den in § 3 BpO geforderten Werten für die Einordnung als Großbetrieb. Auch lägen die Voraussetzungen des § 13 BpO nicht vor. Bei der Klägerin handele es sich nicht um eine Konzerngesellschaft i.S.d. § 18 Aktiengesetz (AktG). Die Klägerin sei weder im Sinne des § 319 AktG in eine andere Aktiengesellschaft eingegliedert noch liege ein Beherrschungsvertrag/Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 AktG vor.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.12.2020 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, er sei für die Anordnung zuständig. Zwar sei die Klägerin als Kleinstbetrieb eingestuft, was grundsätzlich eine Zuständigkeit der Amtsbetriebsprüfungsstelle des Finanzamtes F zur Folge hätte. Es würde sich jedoch eine abweichende Zuständigkeit ergeben, weil die Klägerin zu einem Konzern gehöre und damit in den Zuständigkeitsbereich des für die Leitung des Konzerns zuständigen Finanzamtes falle. Da Herr X C aufgrund der Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 Einkommensteuergesetz i.H.v. mehr als 500.000 € im Kalenderjahr als Steuerpflichtiger i.S.v. § 147a AO keiner regelmäßigen Betriebsprüfung unterliege, bestimme sich die Leitung der Konzernprüfung nach § 14 Abs. 2 BpO. Demnach habe die Finanzbehörde, die für die Außenprüfung des wirtschaftlich bedeutendsten abhängigen Unternehmens zuständig ist, die Leitung der einheitlichen Prüfung zu übernehmen. Das wirtschaftlich bedeutendste Unternehmen sei die C GmbH. Bei der C GmbH handele es sich um einen Großbetrieb. Die Geschäftsleitung der C GmbH befinde sich in N. Für die Region N sei das Finanzamt T örtlich zu...