rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuer-Haftung
Tenor
Der Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 18.04.1995 und die Einspruchsentscheidung vom 19.03.1996 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
Zu entscheiden ist, ob die Klage zulässig ist, nachdem der Beklagte (das Finanzamt –FA–) während des Klageverfahrens einen geänderten Haftungsbescheid erlassen hat, und der Kläger (Kl.) gegen diesen weder Einspruch eingelegt noch ihn durch einen Antrag gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Dabei ist auch zu entscheiden, ob dem Kl. der geänderte Haftungsbescheid zugegangen ist.
Falls die Klage zulässig ist, ist über die Rechtmäßigkeit eines gegenüber dem Kl. erlassenen Haftungsbescheides zu entscheiden.
Mit notariellem Vertrag vom 14.03.1990 (Ur-Nr. 54/1990 des Notars …) wurde die … GmbH & Co. KG (im folgenden …-KG) gegründet. Kommanditisten waren acht Landwirte bzw. deren Ehefrauen aus dem Raum … Geschäftsführende Komplementärin der … KG war die am gleichen Tag (Ur-Nr. 52/1990 des o.a. Notars) gegründete … Bäuerliche Produktvermarktung Verwaltungs-GmbH (im folgenden …-GmbH). Die Kommanditisten der Firma …-KG sind mit entsprechend gleichen Anteilen auch Gesellschafter der Komplementär-GmbH.
Laut § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der …-GmbH ist der Gesellschafter … (K.) und der Kl., der selbst nicht an den Gesellschaften beteiligt ist, zu Geschäftsführern bestellt worden. Dem Kl. wurde außerdem die Befugnis zur Einzelvertretung der …-GmbH eingeräumt. Gegenstand der …-KG war die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, insbesondere von Fleischprodukten.
Aufgrund eines Konkursantrages für die …-KG vom 08.03.1991 ordnete das Amtsgericht … mit Beschluß vom 19.04.1991 die Sequestration an und erließ gleichzeitig ein allgemeines Verfügungs- und Veräußerungsverbot. Rechtsanwalt … wurde zum Sequester bestellt. Aufgrund des o.a. Beschlusses durften Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens nur noch durch den Sequester vorgenommen werden. Da eine die Kosten des Verfahrens entsprechende freie Masse nicht vorhanden war, lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens mit Beschluß vom 10.06.1991 ab. K. und der Kl. sind zu Liquidatoren der …-KG bestellt worden und als solche laut Eintragung vom 29.11.1991 im Handelsregister eingetragen worden.
Da die …-KG die von ihr angemeldeten Lohnsteuer- und Lohnkirchensteuer für die Monate Oktober 1990 bis Februar 1991 nicht an das FA abführte, nahm das FA wegen dieser Beträge und wegen rückständiger Säumniszuschläge in Höhe eines Gesamtbetrages von 10.910,46 DM den Kl. mit Bescheid vom 06.01.1992 als Haftungsschuldner in Anspruch.
Nach erfolglosem Vorverfahren trug der Kl. zur Begründung einer dagegen erhobenen Klage, die unter dem Az.: 8 K 2960/92 L bei Gericht anhängig war, vor: Seine Haftungsinanspruchnahme sei rechtswidrig. Er sei ein junger relativ unerfahrener Fleischermeister, den die Kommanditisten aus gewerberechtlichen Gründen als technischen Betriebsleiter der …-KG angeworben und für diese Aufgaben, der verantwortlichen Leitung der technischen und handwerklichen Arbeitsabläufe gewonnen hätten. Zwischen ihm und den Kommanditisten habe Einvernehmen bestanden, daß er für die Bereiche der Wurstküche und den Verkauf der Erzeugnisse verantwortlich zeichnen sollte. Für die kaufmännische Verwaltung der beiden Gesellschaften seien ihm ein Steuerberater und der Bankkaufmann … (Ü.), … als qualifizierter Berater zur Seite gestellt worden, die diese Bereiche, mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet, selbständig vertreten hätten. Ü., Niederlassungsleiter einer Volksbank, habe Bankvollmacht gehabt und habe sämtliche Zahlungsvorgänge und auch die sonstigen kaufmännischen Angelegenheiten der beiden Gesellschaften selbständig abgewickelt. In der Praxis habe er, der Kl., die eingehende Post nach Kunden, Lieferanten und sonstigen Vorgängen getrennt. Der Lieferantenpost seien Lieferscheine entnommen und Rechnungskontrollen durchgeführt worden. Auch die Kundenpost sei durch ihn unmittelbar bearbeitet worden. Anschließend seien die Posteingänge, ansonsten unbearbeitet, an Ü. zur weiteren Erledigung weitergeleitet worden. Dieser habe dann die den Steuerberater betreffenden Vorgänge an diesen zur selbständigen Erledigung weitergegeben. Wegen seiner Unerfahrenheit habe er seinerzeit diese Aufgabenteilung zur Vorbedingung für seine Einstellung als Geschäftsführer der GmbH gemacht. Er habe sich darauf verlassen, daß die beauftragten Berater insbesondere auch die ihnen übertragenen steuerlichen Pflichten in vollem Umfang und auch gewissenhaft erfüllen würden, insbesondere auch ...