Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Berücksichtigung inkongruenter Gewinnausschüttungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Von den Beteiligungsverhältnisse abweichende - inkongruente - Gewinnausschüttungen sind gesellschaftsrechtlich zulässig und auch in steuerlicher Hinsicht zu berücksichtigen.
2) Inkongruente Gewinnausschüttungen stellen auch dann keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn sie ausschließlich dazu dienen, individuelle Verlustausgleichsmöglickeiten zu nutzen oder bei einem Gesellschafter anrechenbare Körperschaftsteuerguthaben zu aktivieren.
Normenkette
AO § 42; EStG § 15a Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Übertragung des Gesellschaftsanteils der Klägerin an der Firma … GmbH (GmbH) eine Veräußerung darstellt.
Die Klägerin war bis zum 26.09.2000 zu ½-Anteil als Komplementärin am Gesellschaftskapital der Firma H. KG (KG) beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 26.09.2000 zur UR-Nr. 223/2000 des Notars … schied die Klägerin als Komplementärin aus der KG aus und übernahm stattdessen in Höhe ihrer Gesellschaftseinlage von 10.000 DM eine Gesellschafterstellung als Kommanditistin (Anteil am Gesellschaftskapital 50 v. H.).
Die Klägerin war außerdem mit 40 % am Stammkapital der Firma … & … GmbH mit Sitz in R beteiligt. Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 26.09.2000 (UR-Nr. 225/2000 des Notars …) übertrug die Klägerin ihren Gesellschaftsanteil an den Mitgesellschafter P.
Die Übertragung der GmbH – Anteile stellt sich nach der notariellen Urkunde wie folgt dar:
In Abschnitt II. der Vereinbarung änderten die Gesellschafter § 10 der Satzung der GmbH zunächst wie folgt:
„Die Gesellschafter können die Gewinnverteilung durch einstimmigen Beschluss abweichend von § 29 Abs. 3 GmbH-Gesetz regeln. Dem Beschluss müssen alle Gesellschafter zustimmen. Dieser Beschluss kann vorsehen, dass die Gewinnverteilung abweichend von der Höhe der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter geschieht. Er kann auch vorsehen, dass ein ausgeschütteter Gewinn allein auf einen Gesellschafter entfällt.”
Sodann schlossen die Erschienenen folgenden Vertrag über die Übertragung von Geschäftsanteilen und Ausschüttungen von Gewinnen der … GmbH in R.
a. |
die Erschienene zu 1 (Klägerin) überträgt hiermit ihren Gesellschaftsanteil von nominal 40.000 DM an der GmbH mit Sitz in R eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts R unter HRB 995 an den Erschienen zu 2 (P) mit Wirkung zum 02. Januar 2001, der diese Abtretung und Übertragung hiermit auf sich annimmt. |
b. |
Die Erschienenen beschließen hiermit eine Ausschüttung eines ausgehend in der Vergangenheit thesaurierten Gewinns der Firma GmbH in Höhe von 1.100.000 DM an die Erschienene zu 1. Die Ausschüttung dieses Gewinnes in Höhe von 1.100.000 DM erfolgt als Bardividende bis spätestens 01.01.2001.” |
Wegen der weiteren Einzelheiten der notariellen Vereinbarung wird auf die bei den Akten befindliche Vertragskopie Bezug genommen.
Im Herbst des Jahres 2005 fand bei der KG und der GmbH eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung H statt. Der Betriebsprüfer vertrat hinsichtlich der Abtretung des Gesellschaftsanteils durch die Klägerin die Auffassung, es handele sich um eine entgeltliche Übertragung. Bei der Gewinnausschüttung an die Klägerin handele es sich um einen sog. „inkongruente” Gewinnausschüttung, die sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. v. § 42 Abgabenordnung (AO) darstelle. Die Klägerin sei lediglich mit 40 % am Stammkapital der GmbH beteiligt gewesen. Da die Gewinnausschüttung zu 100 % auf sie entfalle, sei eine inkongruente Ausschüttung anzunehmen. Diese entfalle, wenn man die Kapitalanteile der Gesellschafter berücksichtige, zu 60 % auf den Mitgesellschafter P. Tatsächlich hätten die Parteien damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Veräußerung der Gesellschaftsanteile vorgenommen. Der Verkaufspreis betrage 660.000 DM, d. h. dem Anteil des Mitgesellschafters P an der inkongruenten Gewinnausschüttung. In Person der Klägerin sei damit ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 620.000 DM (Veräußerungspreis abzüglich Stammkapital) entstanden.
Im Änderungsbescheid vom 24.03.2006 erfasste das beklagte Finanzamt aufgrund der Feststellungen der Großbetriebsprüfungsstelle einen entsprechenden Gewinn der Klägerin als Sonderbetriebseinnahme.
Die Klägerin legte gegen den Änderungsbescheid am 28.03.2006 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie sinngemäß aus, sie habe im Zuge der Verhandlungen über ihr Ausscheiden aus der GmbH einzig und allein daran Interesse gehabt, dass die thesaurierten Gewinne der zurückliegenden Geschäftsjahre entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft in Höhe von 40 % an sie ausgeschüttet würden. Dies sei durch den Übertragungsvertrag vollzogen worden. Im Ergebnis sei damit lediglich der auf sie entfallende Teil der offenen Rücklagen ausgeschüttet worden. Behandele man diesen Sachverhalt als Verä...