Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichend vom Testament getroffene Vereinbarung über die Verteilung des Nachlasses, "Deed of Variation", Stichtagsprinzip, Anrechnung. Finanz- und Abgaberecht
Leitsatz (redaktionell)
1) Ändert der Erbe nach dem Tod des Erblassers dessen letzten Willen durch eine (nach britischem Recht zulässige) sog. Deed of Variation dergestalt, dass rückwirkend ohne weitere Gegenleistungen eine von der Erbfolge abweichende Vereinbarung über die Verteilung des Nachlasses getroffen wird, kommt es im Verteilungszeitpunkt zu einer freigebigen Zuwendung des Erben i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den Empfänger.
2) Die englische Nachlasssteuer kann nur bei der Erbfallbesteuerung auf die deutsche ErbSt angerechnet werden.
Normenkette
ErbStG § 21 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) vorliegt und, wenn ja, ob englische Nachlasssteuer nach § 21 ErbStG anzurechnen ist.
Die Großmutter des Klägers, O, war Britin. Sie wohnte in Spanien. Am 00.00.2012 verstarb sie. In ihrem Testament vom 11.09.2007 hatte sie als Alleinerben ihren Sohn M 2 eingesetzt. Der Kläger ist der Sohn des Alleinerben, also der Enkel der Erblasserin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament in englischer Sprache und die beglaubigte Übersetzung Bezug genommen.
Zum Nachlass gehörten zwei Grundstücke in Großbritannien sowie Geldvermögen einschließlich Versicherungen in Höhe von X GBP.
Der Vater des Klägers machte von der nach englischem Recht bestehenden Möglichkeit Gebrauch, den Willen der Erblasserin durch eine sog. Deed of Variation zu ändern.
Eine Deed of Variation ist eine sog. Post-Death-Variation, das bedeutet eine Änderung des Erblasserwillens nach dem Tod des Erblassers, die der Besteuerung zu Grunde gelegt wird. Solche Verfügungen sind nach englischem Recht im Todesfall zugelassen und stellen einen großen Vorteil im Vergleich zur deutschen Erbschaftsteuer dar (vgl. Odersky in Süß, Erbrecht in Europa, 3. Auflage 2015, Seite 626, Randnummer 128); weiter wird dort ausgeführt: „Sofern sich die Begünstigten (und der personal representative, sofern dadurch eine höhere Steuer entsteht) einig sind und ohne weitere Gegenleistungen eine von der Erbfolge abweichende schriftliche Vereinbarung über die Verteilung des Nachlasses innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Erblassers als verbindlich bei den Steuerbehörden einreichen, wird das Ergebnis dieser Vereinbarung der Besteuerung zu Grunde gelegt.” In Fußnote 183 wird dort auf 142 IHTA (Inheritance Tax Act = Erbschaftsteuergesetz) verwiesen, wobei zu beachten sei, dass seit 2002 die Vereinbarung ausdrücklich auf diesen Absatz des IHTA Bezug nehmen müsse.
Der Vater des Klägers errichtete gemeinsam mit dem personal representative am 28.02.2013 eine solche Deed of Variation. Nach dieser Verfügung behält der Vater des Klägers einen Anteil von jeweils 28 % an den beiden im Nachlass befindlichen Grundstücken, seine Söhne, der Kläger und sein Bruder, erhalten Eigentum zu jeweils 36 % (zusammen 72 %)
Außerdem ist dem Kläger und seinem Bruder ein Anspruch auf den Betrag zugesprochen worden, der in Großbritannien – mittelbar als Nachlasssteuer – auf die Zuwendung an den Kläger und seinen Bruder zu zahlen war. Dies sei gemacht worden, trägt der Kläger vor, da im englischen Recht eine Nachlasssteuer aus dem Nachlass zu begleichen sei, demgegenüber sei die deutsche Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer vom jeweiligen Erben zu zahlen. Der Betrag ist beziffert mit X GBP, auf den Kläger entfällt die Hälfte (X GBP, das entspricht X Euro).
Nach den Angaben des Klägers betrug der Wert des Immobilienvermögens X GBP, wovon 36 % auf den Kläger entfielen, das sind X GBP (entspricht X Euro).
In dem Abänderungsvertrag wird folgendes ausgeführt (in der Übersetzung):
„DASS die im Testament gemachten Verfügungen abgeändert werden und dass das Testament so gelesen und durchgeführt werden soll, als hätte die Erblasserin die folgenden letztwilligen Zuwendungen und die folgende Zuwendung eines Geldbetrages mit eingeschlossen:
(a) Eine letztwillige Zuwendung der Erblasserin von 72 % ihrer Beteiligung an dem im HM Kataster unter den Titel-Nummern 1, 2 und 3 eingetragenen Eigentum (das der Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs und der Erbschaftsteuer Deutschlands unterliegt) soll erfolgen zu absolut gleichen Teilen an M 1, Deutschland, und M 3.
(b) Eine letztwillige Zuwendung der Erblasserin von 72 % ihrer Beteiligung an dem Eigentum bekannt unter A-Street 1 C und eingetragen im HM Kataster unter der Titel-Nummer LT 1 (das der Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs und der Erbschaftsteuer Deutschlands unterliegt) soll erfolgen zu absolut gleichen Teilen an M 1 und M 3 …
(c) Eine Zuwendung eines Geldbetrags durch die Erblasserin an die vorstehend genannten M 1 und M 3 zu absolut gleichen Teilen von £ X oder des Betrags (falls, und nur dann, dieser Betrag von £ X abweicht), der den fälligen Beträgen der gesamten Erbschaf...