rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsmöglichkeit bei Inanspruchnahme aus Bürgschaft zu Gunsten einer GmbH
Leitsatz (redaktionell)
Hat die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft zu Gunsten der "eigenen" GmbH schon während des streitigen Veranlagungszeitraums gedroht, liegt insoweit kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO 1977 bei einer späteren tatsächlichen Inanspruchnahme vor. Dieses gilt selbst dann, wenn die tatsächliche Höhe der Inanspruchnahme erst nach dem Ablauf des streitigen Veranlagungszeitraums feststand.
Normenkette
AO 1977 §§ 175, 175 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 2; EStG § 17
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommensteuer(ESt)-Bescheid 1992 noch geändert werden kann.
Die verheirateten Kläger (Kl.) werden zur ESt zusammenveranlagt. Die Klägerin (Klin.) war mit einem Anteil von 49 v.H. (24.500 DM) am Stammkapital der Fa. I-GmbH in … (GmbH) beteiligt. Am 08.10.1992 wurde Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt, der mit Beschluss vom 18.02.1993 mangels Masse abgelehnt wurde. Im ESt-Bescheid 1992 vom 12.08.1994 berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) in diesem Zusammenhang einen Verlust i.S.d. § 17 EStG in Höhe von
Anteil am Stammkapital |
24.500 DM |
Gesellschafterdarlehen |
33.500 DM |
|
58.000 DM. |
Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 19.07.2001 beantragten die Kl., den ESt-Bescheid 1992 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern und weitere 150.000 DM als Verlust nach § 17 EStG anzusetzen. Zur Begründung trugen sie vor, sie hätten für Darlehen der GmbH gegenüber der Sparkasse … am 18.02. und 29.11.1991 unbeschränkte Bürgschaften übernommen. Bis Ende 1998 seien sie davon ausgegangen, dass die Angelegenheit bei der Sparkasse in Vergessenheit geraten sei. Mit Schreiben vom 14.12.1998 habe die Sparkasse … jedoch wegen der ausstehenden Forderungen gegenüber der GmbH mit ihnen Kontakt aufgenommen. Schließlich hätten sie am 19.12.2000 mit der Sparkasse … einen Vergleich geschlossen, nach dem sie innerhalb von 7 Jahren, beginnend im November 2000, insgesamt einen Betrag von 150.000 DM zu zahlen hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Sparkasse … vom 19.12.2000 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 25.02.2002 lehnte der Bekl. die Änderung des ESt-Bescheides 1992 ab. Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung (EE) führte der Bekl. aus, die Übereinkunft mit der Sparkasse … im Jahr 2000 sei kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Bereits mit Schreiben vom 21.10.1992 (Bl. 30 FG-Akte) habe die Sparkasse … ihre Ansprüche aus den Bürgschaften gegenüber den Kl. vorgebracht. Dort heißt es u.a.:
„Unsere Forderungen gegen die GmbH, für die Sie sich mit Bürgschaftserklärung vom 18.02.1991 persönlich mitverpflichtet haben, betragen, berechnet zum 15.10.1992: …
Da es erforderlich ist, eine Vereinbarung über die Rückführung der obengenannten Verbindlichkeiten zu treffen und die weitere Vorgehensweise, insbesondere die Verwertung der Sicherheiten abzustimmen, bitten wir Sie, in den nächsten Tagen einen Gesprächstermin mit uns zu vereinbaren.”
In der ESt-Erklärung 1992 hätten die Kl. neben den ursprünglichen Anschaffungskosten der Beteiligung und dem Gesellschafterdarlehen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft geltend machen müssen, weil sie ernsthaft mit der Inanspruchnahme durch die Sparkasse hätten rechnen müssen. Hinsichtlich der ESt 1992 sei die Festsetzungsfrist am 31.12.1997 abgelaufen. Die Ablaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO greife nicht ein, weil die Bürgschaftsinanspruchnahme kein rückwirkendes Ereignis darstelle.
Mit Schreiben vom 13.12.2002 erhoben die Kl. gegen die EE Klage. Die Inanspruchnahme aus Bürgschaften für Darlehen der GmbH führe zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung in Höhe von 150.000 DM. Fielen nach Auflösung der Kapitalgesellschaft nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an, so könne dies als rückwirkendes Ereignis bei der Ermittlung des Auflösungsgewinns nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO berücksichtigt werden.
Bei dem Schreiben der Sparkasse … vom 21.10.1992 handele es sich nicht um eine Bürgschaftsinanspruchnahme, sondern lediglich um einen Sachstandsbericht mit Terminvereinbarung. Die Sparkasse habe sich zunächst nur auf die Verwertung von Sicherheiten beschränkt und erst im Jahr 2000 die Bürgschaftsinanspruchnahme konkret eingeleitet. Zu dem im Schreiben genannten Besprechungstermin sei es hinsichtlich der Bürgschaften nicht gekommen. In allen Gesprächen sei nur über die Verwertung gestellter Sicherheiten gesprochen worden.
Die Kl. hätten seinerzeit davon ausgehen bzw. darauf hoffen können, dass die Sicherheiten (Immobilien, abgetretene Forderungen und Versicherungen, Bürgschaften des Mitgesellschafters Reinfels) ausreichen würden. Erst mit Schreiben vom 27.06.2000 (Bl. 68 FG-A.) seien sie von der Sparkasse aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ih...