rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflichten des Finanzamts bei Änderungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO; Steuerbegünstigungen nach § 3 Nr. 9 und § 34 EStG; Bindungswirkung einer Lohnsteueranrufungsauskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Macht der Steuerpflichtige in der Steuererklärung schlüssige Angaben, die mit den dazu eingereichten Unterlagen übereinstimmen, kann das Finanzamt grundsätzlich von der Richtigkeit der Angaben ausgehen. Stellen sich die Angaben nachträglich als unzutreffend heraus, kann dem Finanzamt im Zuge des Änderungsverfahrens nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Verletzung der Aufklärungspflichten vorgehalten werden.

2) Ein die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG rechtfertigender Arbeitsplatzverlust ist nicht gegeben, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis zwar mit einem neuen Arbeitgeber, im Übrigen aber in Bezug auf Arbeitsbereich, Entlohnung und Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird.

3) Auch die Beendigung eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 24 Nr. 1a i.V.m. § 34 EStG ist bei einem Wechsel des Arbeitgebers unter Beibehaltung von Arbeitsbereich, Entlohnung und Wahrung des sozialen Besitzstandes nicht gegeben.

4) Die Tarifentlastung nach § 34 Abs. 3 EStG a.F. gilt nicht für Entschädigungsleistungen.

5) Eine erteilte Anrufungsauskunft nach § 42e EStG beschränkt sich auf das Lohnsteuerabzugsverfahren und bindet nur die Beteiligten des Auskunftsverfahrens. Eine Bindung für das Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Arbeitnehmers besteht nicht.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 3 a.F., § 42e; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 3 Nr. 9

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2005; Aktenzeichen XI R 8/05)

BFH (Urteil vom 13.12.2005; Aktenzeichen XI R 8/05)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Abfindung teils nach § 3 Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei und teils nach den §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 1 bzw. nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu versteuern ist.

Der Kläger war seit 1976 bei den W. AG (W.) als Arbeitnehmer tätig. Am 11.04.1983 wurde er als Schichtleiter im Kernkraftwerk von der I. GmbH (I.), an der die W. als Anteilseignerin mit einem Gesellschaftskapital von 31% beteiligt war, abgeordnet. Mit Wirkung vom 01.11.1983 übernahm ihn die I. und schloss mit ihm einen entsprechenden Arbeitsvertrag. Die Vergütung sollte sich nach dem Vergütungstarifvertrag der W. richten. Auf das Arbeitsverhältnis sollten die bei der W. verbrachten oder anerkannten Vordienstzeiten angerechnet werden. Die Regelungen für die Pensions- und Hinterbliebenenversorgung der W. sollten weiterhin Anwendung finden. Eine Probezeit sollte entfallen. Der Kläger erklärte sich bereit, bei Nachweis von sachlichen betrieblichen Erfordernissen den Arbeitsvertrag mit der I. einvernehmlich unter der Bedingung aufzuheben, dass ihm eine andere zumutbare Tätigkeit bei der W. oder einem W. -Konzern angeboten wird. Eine entsprechende schriftliche Zusage der W. erhielt der Kläger zugleich mit Abschluss des Arbeitsvertrages. Die dem Arbeitsvertrag beigefügten Allgemeinen Vertragsbedingungen (Vergütung, Krankenversicherung, Urlaubsgeld usw.) entsprachen nahezu wörtlich den bei der W. üblichen Bestimmungen.

In 1991 gewährte die I. dem Kläger als Leiter der Abteilung Stillstandsbetrieb eine persönliche Zulage von monatlich 916,– DM auf Grund der mit der Funktion verbundenen Übernahme zusätzlicher Aufgaben.

Nachdem sich die Betreiber des. Kernkraftwerk für eine geordnete Beendigung des Forschungsprojektes entschieden hatten, entwickelte die I. und ihr Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan, um die überwiegende Zahl der insgesamt 220 Mitarbeiter stufenweise abzubauen. Beabsichtigt war, eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bei einem Gesellschafter der I., bei einer ihrer Beteiligungsgesellschaften oder bei dritten Unternehmen zu erreichen. Betriebsbedingte Entlassungen sollten vermieden werden. Soweit die Arbeitnehmer bei Übernahme in ein Arbeitsverhältnis eines Gesellschafters Einkommensminderungen erleiden würden, sollte in Höhe der Differenz – multipliziert mit dem Faktor 3,5 – eine Abfindung gezahlt werden. Um lohnsteuerrechtlich die Abfindungsbeträge zutreffend zu behandeln, hatte die I. eine verbindliche Auskunft (§ 42e EStG) des Betriebsstättenfinanzamtes eingeholt. Nach dem Schreiben des Finanzamtes J. vom 19.11.1990 sollten die Abfindungen im Rahmen der Höchstbeträge des § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei sein.

Mit Arbeitsvertrag vom 06.07.1994 stellte die W. den Kläger zum 01.08.1994 als Referent für Controlling ein. Eine Probezeit sollte entfallen. Nach einer Ergänzung zum Arbeitsvertrag sollten die bei der I. und der W. verbrachten bzw. anerkannten Dienstzeiten auf das neue Arbeitsverhältnis angerechnet werden. Das Datum des Diensteintritts wurde deshalb wie auch das Beginndatum des Pensionsdienstalters jeweils auf den 01.02.1976 festgesetzt. Ebenso blieb als Beginn der gesetzlichen Unverfallbarkeit für die betriebliche Altersversorgung der 01.02.1976 maßgebend.

Auf Grund sei...

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