Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Abwesenheitspflegers für vom Pflegling nicht entrichtete Erbschaftsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Ein Abwesenheitspfleger haftet als gesetzlicher Vertreter des Pfleglings nur im Rahmen des durch die Anordnung des Amtsgerichts bestimmten Aufgabenkreises. Es haftet nur derjenige nach § 20 Abs 6 S 2 ErbStG, der Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Todes im Ge-wahrsam hat. Der Erlös aus der Veräußerung eines Erbteiles wird ebenfalls nicht von § 20 Abs 6 S 2 ErbStG umfaßt.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 1, §§ 69, 191; BGB §§ 1911, 1911 Abs. 2; ErbStG § 20 Abs. 6, 6 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) als Pfleger im Erbscheinsverfahren für ausländische Erben für nicht entrichtete Erbschaftsteuer (ErbSt) haftet.
Die im Januar 1992 verstorbene Erblasserin hatte durch mehrere Testamente Vermächtnisse ausgesetzt, aber keinen Erben benannt. Im Rahmen der Ermittlung der gesetzlichen Erben wurde festgestellt, daß vier in Polen lebende Abkömmlinge der Großeltern der Erblasserin als Erben in Betracht kamen. Dabei handelte es sich um:
- A
- S
- K
- E.
Das Amtsgericht bestellte durch Bestallungsurkunde vom 26. August 1992 den Kl. als Pfleger für die in Polen lebenden Erben. Die Bestallungsurkunde hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Herr Rechtsanwalt … ist zum Pfleger für … bestellt. Sein Wirkungskreis umfaßt Wahrnehmung der Interessen der gesetzlichen Erben im Erbscheinsverfahren – 12 VI 48/92 –.”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Bestallungsurkunde, Bl. 32 der Prozeßakte, verwiesen.
Die Ermittlung des Nachlasses sowie der Erben und Vermächtnisnehmer erfolgte durch den Notar (Notar) in, welcher die Erblasserin und ihren Ehemann zu Lebzeiten bereits betreut hatte. Zwischen den Vermächtnisnehmern und den gesetzlichen Erben bestanden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Umfangs des Erbrechts der gesetzlichen Erben und des Umfangs der ausgesetzten Vermächtnisse. Zur Beilegung dieser Meinungsverschiedenheiten setzten sich die Vermächtnisnehmer und die gesetzlichen Erben durch notariell beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrag vom 28.04.1993 auseinander. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bl. 28 – 50 der ErbSt-Akte verwiesen. Im Rahmen dieser Erbauseinandersetzung vertrat der Kl. aufgrund der Bestallungsurkunde des Amtsgerichts die in Polen lebenden Erben in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Pfleger.
Der Notar wurde beauftragt, den Nachlaß in Besitz zu nehmen, soweit notwendig zu verwerten, und entsprechend der Erbauseinandersetzungsregelung an die Beteiligten auszukehren. Weiter war ausdrücklich vereinbart, daß jeder Vertragsbeteiligte eine etwaige ErbSt selbst trägt (Bl. 49 der Steuerakte).
Durch Schreiben vom 23.04.1994 (Bl. 27 ff. des Beihefters zur ErbSt-Akte) legte der Notar gegenüber dem Kl. als Pfleger der in Polen lebenden Erben Rechenschaft ab über die Inbesitznahme und teilweise Verwertung des Nachlasses der Erblasserin. Zugunsten der in Polen wohnenden Erben ergab sich ein Betrag von 143.463,26 DM. Diesen Betrag überwies er auf ein Konto des Kl. Der Kl. zahlte am 15.06.1994 an Herrn Sals Vertreter der in Polen lebenden Erben den nach Abzug seiner eigenen Kosten verbliebenden Betrag in bar aus. Über die Auszahlung des Geldes fertigte der Kl. eine Niederschrift (Bl. 16 u. 17 des Beihefters zur ErbSt-Akte). Unter der Unterschrift von Herrn S, mit der dieser den Empfang des Geldes quittierte, befindet sich der Vermerk: „Die Erbschaftsteuer wurde in der Bundesrepublik ausgeglichen.” Diesen Vermerk hat der Kl. unterschrieben und mit seinem Stempel versehen.
Nachdem der Kl. seinerseits gegenüber dem Amtsgericht Rechenschaft abgelegt hatte, wurden seine Bestallung als Pfleger der in Polen lebenden Erben am 17.06.1994 aufgehoben (Bl. 2 des Beihefters zur ErbSt-Akte).
Die Erbschaftsteuer(ErbSt)-Erklärung für den gesamten Erbfall wurde durch die WGmbH Wim Auftrag des Vermächtnisnehmers D, welcher vom Beklagten zur Abgabe der Erklärung aufgefordert worden war, erstellt. Die ErbSt-Erklärung ging am 16.09.1994 beim beklagten Finanzamt ein. Als Bevollmächtigter der Erwerber war der Notar benannt.
Aufgrund der ErbSt-Erklärung ergingen gegen die in Polen lebenden Erben erstmals unter dem 14.12.1994 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende ErbSt-Bescheide. Die Bescheide waren an den Notar adressiert. Die Steuerfestsetzung wurde durch Bescheide vom 23.05.1995 geändert. Die W leitete die Bescheide an die in Polen lebenden Erben weiter (Bl. 226 der Steuerakte). Die Vorbehalte der Nachprüfung wurde mit Schreiben vom 26.07.1995, ebenfalls gerichtet an den Notar, aufgehoben.
Am 15.09.1995 ging beim beklagten Finanzamt in Kopie ein Schreiben von Herrn Sein, in dem er um nähere Erläuterungen hinsichtlich der Bezahlung der ErbSt bat. An wen das Schreiben gerichtet ist, ist nicht ersichtlich. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, ob das Original des Schreibens beim Finanzamt einging. In der ErbSt-Akte befindet sich nur eine Kopie. Mit gleichlautenden Schreiben jeweils vom 13.03.1996 ...