Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastungen, Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten eines Einfamilienhauses können nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn sich auf der anderen Seite des Hauses eine Terrasse befindet, die mit dem Rollstuhl erreichbar ist. In einem solchen Fall fehlt es an der Zwangsläufigkeit, da ein Zugang zum Garten bereits gewährleistet ist.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Gartens als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden können.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin leidet an einem Post-Polio-Syndrom (PPS). Ihr Schwerbehindertenausweis wies im Streitjahr einen Grad der Behinderung von 70 mit den Merkzeichen G und aG aus.
Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Garten. Das Grundstück hat eine Größe von 1.387 qm. Unmittelbar vor dem Haus befanden sich zunächst Beete, auf denen die Klägerin Beerensträucher sowie Küchen- und Heilkräuter anbaute. Die Beete waren vom Haus aus fußläufig über eine schmale Zuwegung zu erreichen. Auf der Rückseite des Hauses befindet sich eine Terrasse, auf der Gartenmöbel stehen. Die Terrasse kann vom Haus aus mit einem Rollstuhl erreicht werden.
Im Jahr 2016 ließen die Kläger den Weg vor ihrem Haus in eine gepflasterte Fläche von 17,96 qm ausbauen. Ausweislich der Schlussrechnung vom 19.10.2016 stellte die G- GmbH der Klägerin hierfür einen Betrag von insgesamt 7.024,68 EUR in Rechnung. Die Rechnung weist Arbeitskosten in Höhe von 3.090,86 EUR brutto aus.
Die Kläger beglichen die Rechnung im Jahr 2016 durch Banküberweisung.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2016 setzten die Kläger die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Garteneingangsbereichs als außergewöhnliche Belastungen an. Die auf die Rechnungspositionen Nr. 9 und 22 entfallenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 926 EUR machten die Kläger nach § 35a Abs. 3 EStG als haushaltsnahe Handwerkerleistungen geltend.
Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 10.11.2017 nur die haushaltsnahen Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG. Die außergewöhnlichen Belastungen erkannte er nicht an.
Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machten die Kläger geltend, die Umbauarbeiten seien allein deshalb vorgenommen worden, weil sie, die Klägerin, aufgrund der progredienten Entwicklung der PPS-Erkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Beete auf dem schmalen Weg zu erreichen. Die Sturzgefahr sei zu groß geworden und der vorhandene Weg sei nicht rollstuhlgeeignet gewesen. Es sei daher erforderlich gewesen, die Flächen zu ebnen und zu befestigen. Zudem seien rollstuhlgeeignete Hochbeete angelegt worden. Die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahmen werde belegt durch den Grad der Behinderung von 70 mit dem Merkzeichen aG sowie den in der Literatur beschriebenen progredienten Charakter der PPS-Erkrankung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass mit Bescheid vom 19.06.2018 ein Grad der Behinderung von 80 mit den Merkzeichen G, aG und B festgestellt worden sei. Auch die Wertungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) sprächen für die Zwangsläufigkeit der Umbaumaßnahmen. Der Umstand, dass andere Wege auf ihrem Grundstück nicht umgebaut worden seien, zeige, dass die streitbefangenen Aufwendungen nicht zu Sanierungszwecken getätigt worden seien. Für die Baumaßnahmen seien keine Zuschüsse beantragt worden.
Der Beklagte führte in der abschlägigen Einspruchsentscheidung vom 02.08.2018 an, Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zwar als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stünden, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund trete. Im Streitfall sei allerdings nicht das Haus, sondern der Garten umgebaut worden. Da der Umbau des Gartens – anders als Maßnahmen innerhalb des Hauses – nicht eilbedürftig sei, sei es den Klägern zuzumuten gewesen, die Zwangsläufigkeit der Maßnahme durch ein Sachverständigengutachten bestätigen zu lassen. Die zulässigen Nachweise seien in R 33.4 Abs. 5 EStR genannt. Auch der Umstand, dass die Kläger keinen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenversicherung gestellt hätten, spreche gegen die steuerliche Anerkennung. Denn bereits die Möglichkeit einer (teilweisen) Erstattung stehe einem steuerlichen Abzug entgegen. Schließlich hätten die Kläger nicht nachgewiesen, dass sie durch die Baumaßnahmen keinen Gegenwert erhalten hätten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Baumaßnahme zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt habe. Nach der G...