Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Erlass von Kirchensteuer auf einen Veräußerungsgewinn von GmbH-Anteilen unter Berufung auf eine kirchliche Erlassregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Erlass von Kirchensteuer wegen sachlicher Unbilligkeit scheidet auch für außerordentlichen Einkünfte i.S.v. § 34 EStG sowie die Veräußerungsgewinne nach Maßgabe von § 17 EStG aus.
2. Das KiStG NRW enthält keine eigenständige Regelung über den Erlass von Kirchensteuern. Insbesondere der generalklauselartigen Regelung in § 8 Abs. 4 KiStG NRW fehlt es an der notwendigen Vorgabe der Erlassvoraussetzungen. Auch § 13 Abs. 2 KiStO sowie die für 2017 maßgebliche Satzung des Kirchensteuerrates enthalten keine materielle Erlassregelung, sondern lediglich eine Zuständigkeitsregelung.
3. Die Voraussetzungen für den in Abs. 5 Buchst. a Satz 1 der kirchlichen Erlassrichtlinie vorgesehenen Teilerlass für den Fall, dass der Steuerpflichtige außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 EStG erzielt hat, liegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige keinen Betrieb bzw. Teilbetrieb i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, keinen gesamten Mitunternehmeranteil i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und auch keinen gesamten Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG veräußert, sondern vielmehr GmbH-Anteile (hier: Beteiligung im Umfang von 85 %) veräußert hat.
4. Die Regelung zur Erteilung verbindlicher Auskünfte gemäß § 89 Abs. 2 AO ist auch auf die Verwaltungstätigkeit der Kirchen in Kirchensteuersachen anwendbar.
5. Aus der Perspektive eines objektivierten Erklärungsempfängers spricht gegen einen Rechtsbindungswillen i.S. einer verbindlichen Auskunft, wenn lediglich die abstrakt-generelle Regelung (hier: ständige kirchliche Erlasspraxis) ohne einen Bezug zu einem konkreten Sachverhalt wiederholt wird.
Normenkette
AO § 227; EStG §§ 34, 16 Abs. 1; KiStG NRW § 8 Abs. 1; KiStG NRW § 8 Abs. 4; KiStO § 13; AO § 89 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Erlass der Kirchensteuer für 2017.
Ursprünglich war der Kläger mit einem Anteil von 85 % Gesellschafter einer GbR, die Eigentümerin eines Grundstücks war. Weiterer Gesellschafter mit 15 % war Herr X. G.. Die GbR vermietete oder verpachtete das Grundstück an die J. G. Ingenieurgesellschaft mbG (im Folgenden nur: GmbH), deren Alleingesellschafter der Kläger war. Steuerrechtlich bestand eine Betriebsaufspaltung; die GmbH-Anteile des Klägers waren Sonderbetriebsvermögen bei der gewerblichen Mitunternehmerschaft (GbR).
Der Kläger beabsichtigte eine Veräußerung eines Teils der GmbH-Anteile. Daher erfolgte eine steuerneutrale Übertragung des im Eigentum der GbR stehenden Grundstücks auf die gewerblich geprägte G. Immobilien GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: GmbH & Co. KG). Die weiterhin im Eigentum des Klägers stehenden Anteile an der GmbH wurden damit Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG.
Im Vorfeld der geplanten Veräußerung der Anteile an der GmbH stellten der Kläger bzw. der Klägervertreter u. a. Überlegungen zur Reduzierung der Kirchensteuerbelastung in Ansehung des Veräußerungsgewinns an. Neben der Möglichkeit eines Kirchenaustritts wurde auch ein Teilerlass der Kirchensteuer in den Blick genommen. Hintergrund solcher Erlassüberlegungen sind die sog. Erlassrichtlinien für den nordrhein-westfälischen Teil des Bistums N-Stadt. Dort heißt es u. a.
[…]
(5) Eine generalisierende Erlassregelung gilt für folgende außerordentliche Einkünfte:
a) Einkünfte gemäß § 34 EStG (u. a. Betriebsaufgaben, Veräußerungsgewinne, Arbeitgeberabfindungen);
Maßgebend ist die Qualifizierung des Finanzamtes in dem betreffenden Steuerbescheid. Ausnahmen in besonderen Einzelfällen bleiben hiervon unbenommen.
b) die im Rahmen der gewerblichen Einkünfte versteuerten Veräußerungsgewinne gemäß § 17 EStG. Es zählen hierzu auch die im § 34 EStG ausgenommenen steuerpflichtigen Teil der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nr. 40 b EStG in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit sind.
Auf die vorg. Einkünfte wird ein Kirchensteuererlass von 50 % gewährt. Dieser Erlass ist begrenzt auf maximal 50 % der tatsächlich festgesetzten Kirchensteuer.
(6) Bei bestehendem Kappungsanspruch erfolgt die Berechnung unter Anrechnung des Erlassbetrages.
[…]
Die Erlassrichtlinie, die nicht staatlich anerkannt ist, gilt seit dem 20.09.2014.
Der Beklagte wendete die Erlassrichtlinie in Verfahren betreffend andere Steuerpflichtige wie folgt an: Im Falle einer Teilveräußerung eines Betriebs (zur Klarstellung: nicht Teilbetriebsveräußerung), der Veräußerung von GmbH-Anteilen des Betriebsvermögens unter Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Übrigen (Gebäude des Betriebsvermögens) und der teilweisen Veräußerung von GmbH-Anteilen des Sonderbetriebsvermögens wurde der Erlass abgelehnt. Begründet wurde dies zum Teil allein unter Hinweis auf die Nichtverwirklichung des § 34 EStG, zum Teil wurde ausgeführt, dass Grundlage der Erlassregelung die vollständige Beendigung der unternehmerischen Betä...