Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Erlass von Kirchensteuer auf einen Veräußerungsgewinn von GmbH-Anteilen unter Berufung auf eine kirchliche Erlassregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das KiStG NRW enthält keine eigenständige Regelung über den Erlass von Kirchensteuern. Insbesondere der generalklauselartigen Regelung in § 8 Abs. 4 KiStG NRW fehlt es an der notwendigen Vorgabe der Erlassvoraussetzungen. Auch § 13 Abs. 2 KiStO sowie die für 2017 maßgebliche Satzung des Kirchensteuerrates enthalten keine materielle Erlassregelung, sondern lediglich eine Zuständigkeitsregelung.
2. Die Voraussetzungen für den in Abs. 5 Buchst. a Satz 1 der kirchlichen Erlassrichtlinie (Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften) vorgesehenen Teilerlass für den Fall, dass der Steuerpflichtige außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 EStG erzielt hat, liegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige keinen Betrieb bzw. Teilbetrieb i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, keinen gesamten Mitunternehmeranteil i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und auch keinen gesamten Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG veräußert, sondern vielmehr GmbH-Anteile (hier: Beteiligung im Umfang von 77,5 %) veräußert hat.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1; KiStG NRW § 8 Abs. 1; KiStG NRW § 8 Abs. 4; KiStO § 13; EStG § 34
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Erlass von Kirchensteuern für den Veranlagungszeitraum 2020.
Der Kläger war bis zum Juli 2020 und die Klägerin war das gesamte Kalenderjahr 2020 Mitglied der römisch-katholischen Kirchen.
Der Kläger war mit einem Anteil von 50 % Kommanditist der gewerblich geprägten L. GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: GmbH & Co. KG). Diese wiederum war mit einer Beteiligung in Höhe von 77,5 % Gesellschafterin der G. GmbH (im Folgenden nur: GmbH). Inhaberin der weiteren Beteiligung in Höhe von 22,5 % ist weder die GmbH & Co. KG noch der Kläger selbst, sondern ein Dritter.
Die GmbH & Co. KG veräußerte in 2020 ihre Beteiligung an der GmbH und erzielte hierbei einen Veräußerungsgewinn in Höhe von XXXXX EUR. Unter Berücksichtigung der für den Kläger geführten Ergänzungsbilanz ergab sich ein ihm zuzurechnender anteiliger Veräußerungsgewinn in Höhe von YYYYY EUR (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens). Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung vom 17.11.2021 wurde dieser Veräußerungsgewinn als Teil der laufenden gewerblichen Einkünfte in Höhe von insgesamt ZZZZZ EUR (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) festgestellt.
Das Finanzamt X-Stadt setzte die römisch-katholische Kirchensteuer gegenüber den zusammenveranlagten Klägern für den Veranlagungszeitraum 2020 zuerst auf k1 EUR fest. Mit Änderungsbescheid vom 21.02.2022 wurde die Kirchensteuerfestsetzung auf k2 EUR und sodann mit weiteren Änderungsbescheid vom 24.04.2023 auf k3 EUR herabgesetzt.
Mit Bescheid vom 16.03.2022 erließ der Beklagte die Kirchensteuer in Höhe von kk EUR (sog. Kirchensteuer-Kappung).
Die Kläger beantragten am 07.04.2022 einen Teilerlass „von 50 % der Kirchensteuer auf den steuerpflichtigen Teil der Veräußerungsgewinne, d. h. auf Euro VVVVV”. Im Schreiben vom 10.05.2022 wird die Ermäßigung der Kirchensteuer in Ansehung der außerordentlichen Einkünfte in Höhe von YYYYY EUR auf die Hälfte begehrt.
Hintergrund des Erlassbegehrens der Kläger ist die staatlich nicht anerkannte „Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften” des Beklagten vom 03.04.2009 (Kirchliches Amtsblatt des Beklagten [im Folgenden nur: KiABl] vom 25.05.2009, 49). Diese lautet:
Der Kirchensteuerrat für den in Nordrhein-Westfalen gelegenen Teil der Erzdiözese Paderborn hat folgende Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften getroffen:
1. Die nachfolgende Regelung erfasst
a) außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 EStG
b) die im Rahmen der gewerblichen Einkünfte versteuerten Veräußerungsgewinne gemäß § 17 EStG. Hierzu zählen auch die im § 34 EStG ausgenommenen steuerpflichtigen Teile der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nr. 40b EStG in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit sind.
Maßgebend ist die Qualifizierung des Finanzamtes in dem betreffenden Steuerbescheid.
2. Auf die v. g. Einkünfte wird unbeschadet der Regelung des § 227 AO ein Kirchensteuerteilerlass von 50 % gewährt. Dieser Erlass ist begrenzt auf maximal 50 % der tatsächlich festgesetzten rk-Kirchensteuer.
3. Auf den Erlassbetrag wird der gewährte oder zu gewährende Kappungsbetrag nicht angerechnet.
[…]
Es entsprach der Erlasspraxis des Beklagten, dass bei Beteiligungen des Betriebs- bzw. Sonderbetriebsvermögens ein Erlass nur gewährt wurde, wenn die Veräußerung das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung erfasste und die Beteiligung im Ganzen veräußert wurde. Wurde eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung des Privatvermögens veräußert und unterfiel der Vorgang § 17 EStG, wurde ein Erlass...