Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Qualifizierung einer USt-Steuerberechnung als Bescheid; Nichtigkeit eines Verwaltungsakts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das ein FA einer USt-Berechnung keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat, steht deren Qualifizierung als VA i.S.d. § 155 AO nicht entgegen, weil die unterlassene Rechtsbehelfsbelehrung lediglich zu einer Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist führt.

2. Eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL führt allenfalls zur Rechtswidrigkeit der darauf beruhenden USt-Festsetzungen, nicht aber zu deren Nichtigkeit.

 

Normenkette

AO § 356 Abs. 2, § 155

 

Tatbestand

Streitig ist, ob insbesondere verfahrensrechtliche Hindernisse dem Erlass von Umsatzsteuer(USt)-Bescheiden für 1991 und 1992 an den Kläger (Kl.) in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma A KG (KG) entgegenstehen, in denen gemäß seinem Antrag zu seinen Gunsten USt-Minderungen festgesetzt werden sollen.

Mit Beschluss vom 29.11.1993 (00 N 000/00) bestellte das Amtsgericht E den Kl. zum Sequester über das Vermögen der KG, nachdem die KG, vertreten durch ihre alleinvertretungsberechtigte Komplementärin Frau A, am 26.11.1993 einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen gestellt hatte. Wie in den Vorjahren hatte die KG auch in den Streitjahren 1991 und 1992 u.a. Umsätze mit dem Betrieb von Geldspielgeräten erzielt. Ziffer 1 des Sequestrationsbeschlusses lautet: „Die Sequestration des Vermögens der Schuldnerin wird angeordnet. Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens dürfen nur durch den Sequester vorgenommen werden. Die Schuldnerin hat sich jeder Verfügung zu enthalten, insbesondere ist ihr die Einziehung von Außenständen untersagt. Die Geldbeträge, die zur vorläufigen Fortführung des Geschäfts erforderlich sind, sind von dem Sequester aus den Einnahmen zur Verfügung zu stellen.” Mit Beschluss vom 04.08.1994 (10 N 228/93) eröffnete das Amtsgericht das bis heute noch nicht abgeschlossene Konkursverfahren über das Vermögen der KG.

Am 08.02.1993 hatte die KG beim beklagten Finanzamt (FA) ihre USt-Erklärung für 1991 eingereicht, in der sie USt von 10.264,489,50 DM anmeldete. Ferner hatte die KG ihre unter dem 12.11.1993 erstellte USt-Erklärung 1992 in 1993 beim FA eingereicht, in der sie USt von 8.775.157,90 DM anmeldete. Den Anmeldungen hatte das FA am 17.03.1993 bzw. 30.12.1993 zugestimmt.

Am 24.05.1994 stellten die Steuerberater, Wirtschaftsprüfer U und Partner namens der KG einen Antrag nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf Änderung der USt für 1991 und für 1992 unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 05.05.1994 (C-38/93, Sgl. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548), wonach Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit als steuerfrei zu behandeln seien. Am 06.06.1994 erließ das FA auf der Grundlage eines Berichtes vom 02.03.1994 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen geänderten, an die KG adressierten USt-Bescheid für 1991, in dem es die Umsätze der KG als steuerpflichtig behandelte. Ferner erließ das FA am 06.06.1994 auf der Grundlage eines Berichtes vom 02.03.1994 einen an die KG adressierten USt-Bescheid für 1992, in dem es die Umsätze der KG als steuerpflichtig behandelte und den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Bekanntgegeben wurden beide Bescheide an Frau A. Für die KG legten die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer U und Partner gegen beide Bescheide am 14.06.1994 mit getrennten Schreiben vom 13.06.1994 Einspruch ein.

Am 21.07.1994 reichte der Kl. in seiner Eigenschaft als Sequester über das Vermögen der KG je eine „berichtigte USt-Erklärung” für 1991 und 1992 beim FA ein. Betragsmäßig diesen Erklärungen entsprechend erteilte das FA eine an den Kl. „als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma A KG, E” adressierte „USt-Berechnung 1991” und jeweils gesondert einen Bescheid über negative Zinsen zur USt 1991 und 1992, alle vom 06.09.1994. In der USt-Berechnung 1991 heißt es: „A Festsetzung Aufgrund des Einspruchs vom 14.06.1994 werden die folgenden Umsatzsteuerfestsetzungen geändert. Geändert gemäß § 172 (1) 2 AO 1991 Umsatzsteuerschuld 5.830.942,39 Umsatzsteuerschuld 1992 3.561.751,75”. Unter „C Bemerkungen” heißt es: „Hierdurch erledigt sich Ihr Einspruch, eingelegt durch das StBer. Büro U + Partner”. Die vordruckmäßig enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung – Einspruch – war handschriftlich gestrichen worden. Die Schreiben vom 06.09.1994 wurden mit einfachem Brief zur Post aufgegeben. Das FA kehrte aufgrund der Berechnung vom 06.09.1994 an den Kl. als Konkursverwalter über das Vermögen der KG USt für 1991 von 2.381.184,30 DM und Zinsen zur USt 1991 von 376.848 DM und USt für 1992 von 1.530.051,81 DM und Zinsen zur USt 1992 von 83.150 DM aus.

Bereits am 19.08.1994 hatte das FA wegen USt 1992, nicht aber wegen USt 1991 eine Steuerforderung gegen die KG von 3.715.625,61 DM zur Konkurstabelle angemeldet. Nachdem der Kl. im Prüfungstermin vom 04.10.1994 die angemeldete Forderung v...

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