Entscheidungsstichwort (Thema)
Sind Strafverteidigungskosten für ein Wiederaufnahmeverfahren betreffend den Bruder des Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen?
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Rechtsprechung des BFH, derzufolge Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Verteidigung eines wegen einer Straftat angeklagten Verwandten in der Seitenlinie nicht als aus sittlichen Gründen zwangsläufig angesehen werden, gilt auch für solche Kosten, die durch die Wiederaufnahme eines Strafprozesses entstehen.
2) Ist ein solches - in erster Instanz erfolgloses - Wiederaufnahmeverfahren durch Rücknahme der sofortigen Beschwerde zum OLG abgeschlossen und ist selbst die Dorfgemeinschaft des Ortes, in der die Familie des Verurteilten lebt, nicht einheitlich von dessen Unschuld überzeugt, so erwachsen dem Steuerpflichtigen die Aufwendungen für das Wiederaufnahmeverfahren selbst dann nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig, wenn für ihn und seine Familie die Unschuld des rechtskräftig verurteilten Verwandten subjektiv erwiesen ist und der Steuerpflichtige sich außerdem aufgrund seiner früheren Einstellung zu einer Wiedergutmachung verpflichtet fühlt.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob Strafverteidigungskosten für ein Wiederaufnahmeverfahren betreffend den Bruder des Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machten sie Strafverteidigerkosten aufgrund eines Wiederaufnahmeverfahrens gemäß §§ 359 ff. der Strafprozeßordnung in Höhe von 34.400 DM als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG geltend. Dies beruht auf folgendem Sachverhalt: Der Bruder der Klägerin, Herr xxxxxxxxxxx xxxxxxx (fortan: S.) wurde mit Urteil des Landgerichts xxxxxxxx vom 14.12.1983 u.a. aufgrund eines später widerrufenen Geständnisses wegen Mordes zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Seitdem verbüßt er seine Haftstrafe. Am 27.07.1985 geschah unter vergleichbaren Tatumständen ein weiterer Mord. Im Laufe der folgenden Jahre wiesen weitere Umstände und Gutachten auf eine mögliche Unschuld des S. hin. Es stellte sich insbesondere heraus, daß seinerzeit eine andere Täterspur von den untersuchenden Polizeibeamten und der Staatsanwaltschaft nicht weiterverfolgt wurde und dem Gericht bei der Urteilsfindung nicht vorgelegen hatte. Daher entschlossen sich die Klägerin und ihre beiden Schwestern, ein Wiederaufnahmeverfahren des S. zu unterstützen. Dieses Verfahren blieb in erster Instanz vor dem Landgericht xxxxxx erfolglos. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) xxxx ist zwischenzeitlich durch Rücknahme der sofortigen Beschwerde durch die Kläger abgeschlossen.
Bei der mit Bescheid vom 30.04.1997 durchgeführten Veranlagung für das Streitjahr setzte der Beklagte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung auf xxxxxx DM fest.
Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, sie hätten sich diesen Bemühungen um die Wiederaufnahme ihres unschuldig einsitzenden Bruders aus sittlichen Gründen nicht entziehen können. Die in Auftrag gegebenen Gutachten hätten die Schuld ihres Bruders in Frage gestellt. Sie als Schwester sei besonders gefordert, da im vorliegenden Fall die Eltern nicht mehr lebten. Ein Erbe, aus dem die Strafverteidigerkosten hätten bestritten werden können, sei nicht vorhanden gewesen. In einem solchen Fall bestehe die Erwartung der Gesellschaft an sie als Schwester, alles in ihrer Macht stehende für eine Wiederaufnahme und damit Rehabilitierung ihres Bruders zu tun. Eine Aussicht auf Erstattung der Verteidigungskosten bestehe nicht. Ihre Geschwister hätten sich bisher nicht an den Strafverteidigungskosten beteiligt. Eine Schwester wolle aber einen Teil der Kosten übernehmen. Der Rechtsanwalt habe sich bei den Stundensätzen, die mit 350 DM mündlich vereinbart worden seien, offensichtlich nicht an die Gebührenordnung gehalten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.1997 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es fehle an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG. Rechtliche und tatsächliche Gründe fehlten ebenso wie sittliche. Der BFH habe in seiner Rechtsprechung die Kosten der Strafverteidigung im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern anerkannt. Dies gelte aber nicht für das Verhältnis zwischen Geschwistern. Daß S. die Ursache für die Aufwendungen durch sein Fehlverhalten selbst gesetzt habe, sei zusätzlich zu berücksichtigen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger gesellschaftlicher Mißbilligungen begegneten, wenn sie die Anwaltskosten nicht endgültig getragen, sondern dem Bruder zunächst in Form eines ggf. später zu tilgenden Darlehens zur Verfügung gestellt hätten.
Mit der Klage tragen die Kläger vor: Eine sittliche Verpflichtung im...