Entscheidungsstichwort (Thema)
Strittig ist, ob die Veranlagungswahl als eine zur Masseverbindlichkeit führende Handlung des Insolvenzverwalters anzusehen ist
Leitsatz (redaktionell)
Die Wahl der Einzelveranlagung hatte vorliegend nicht „zur Folge”, dass ein Teil der Einkommensteuerschuld erst hierdurch entstanden ist. Denn die Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes durch den Insolvenzschuldner, der die ihm gegenüber entstehende Einkommensteuerschuld begründet und der für die Qualifizierung maßgebend ist, war mit Ablauf des Kalenderjahres (Streitjahres) abgeschlossen.
Normenkette
InsO § 55; EStG § 26
Tatbestand
Im Verfahren ist streitig, inwieweit die Festsetzung von Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag als Masseverbindlichkeiten zulässig war.
Herr L 1 (Insolvenzschuldner) war im Jahr 2019 (Streitjahr) nichtselbstständig tätig. Über sein Vermögen hat das Amtsgericht – Insolvenzgericht – N durch Beschluss vom 00.00.2019 Aktenzeichen 1/XX das Insolvenzverfahren eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Wegen der an die Insolvenzmasse abgeführten Beträge wird auf Bl. 25 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Das Insolvenzgericht hat ferner aufgrund Beschlusses vom selben Tag zum Akten-zeichen 2/XX über das Vermögen der Ehefrau des Insolvenzschuldners, Frau L 2, das Insolvenzverfahren eröffnet und in diesem Verfahren ebenfalls den Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.
Mit Schreiben vom 16.04.2020 reichte der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners für diesen die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten ein. Hierbei setzte er das Kreuz bei „Einzelveranlagung von Ehegatten/Lebenspartnern”. Entsprechend verfuhr er, ebenfalls in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter, auch bei der Abgabe der einkommensteuerlichen Erklärung für die Ehefrau des Insolvenzschuldners.
Ergebnis der (Einzel-)Veranlagungen war, dass zum einen vom Arbeitslohn des Insolvenzschuldners ein Lohnsteuerbetrag einbehalten und abgeführt worden war, der die geschuldete Einkommensteuer nicht deckte. Zum anderen war vom Arbeitslohn der Ehefrau des Insolvenzschuldners ein Betrag einbehalten und abgeführt worden, der die von dieser geschuldete Einkommensteuer überschritt und den der Beklagte dessentwegen in das Vermögen der Ehefrau erstattete. Im Einzelnen lagen dem folgende (Gesamt-)Parameter zugrunde:
Einzelveranlagung des Insolvenzschuldners:
Werte in € |
ESt |
rk KiSt |
Summe |
Festsetzung |
2.981,00 |
8,10 |
|
Anrechnung (LSt-Abzug) |
-1.009,00 |
0,00 |
|
zu zahlen |
1972,00 |
8,10 |
1.980,10 |
Einzelveranlagung der Ehefrau des Insolvenzschuldners:
Werte in € |
ESt |
rk KiSt |
SolZ |
Summe |
Festsetzung |
184,00 |
0,00 |
0,00 |
|
Anrechnung (LSt-Abzug) |
-1.610,00 |
-144,75 |
-70,25 |
|
zu erstatten |
-1.426,00 |
-144,75 |
-70,25 |
-1.641,00 |
Vor diesem Hintergrund teilte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und Anrechnungsbeträge – nach zwischen den Beteiligten unstreitigem Maßstab – auf und erließ gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter den Bescheid vom 15.05.2020 über die Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 der Insolvenzordnung [InsO]) für das Streitjahr zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und zum Solidaritätszuschlag. Darin setzte er gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit die Einkommensteuer in Höhe von 1.835,40 € und die Kirchensteuer in Höhe von 4,99 € fest. Hierauf rechnete er Lohnsteuer in Höhe von 617,27 € an und forderte folglich 1.223,12 € zur Zahlung an. Zur Begründung der Masseverbindlichkeit verwies der Beklagte auf den vom Kläger gestellten Antrag auf Einzelveranlagung. Auf den Bescheid, dessen Abrechnungsteil und die Anlagen wird Bezug genommen.
Der Kläger legte Einspruch ein und erklärte u.a., dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners die Einzelveranlagung versehentlich beantragt worden sei. Da sich kein der Insolvenzmasse zuzuordnender Erstattungsanspruch ergeben habe, habe ihm ein Wahlrecht in diesem Verfahren nicht zugestanden. Rein vorsorglich erkläre er aber ausdrücklich, dass er nicht die Einzelveranlagung, sondern die Zusammenveranlagung beantrage. Die Verbindlichkeiten gegen den Insolvenzschuldner hätten sich allerdings bereits allein aus der rechtmäßigen Ausübung des Wahlrechts für die steuerliche Veranlagung der Ehefrau des Insolvenzschuldners im dortigen Verfahren ergeben, weil diese bereits für sich besehen gem. § 26 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einzelveranlagung führe.
Der Beklagte zog den Insolvenzschuldner zum Verfahren hinzu. Dieser äußerte sich nicht zum Verfahrensgegenstand.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30.04.2021 änderte der Beklagte den Bescheid über Masseverbindlichkeiten für das Streitjahr zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und zum Solidaritätszuschlag ab, indem er als Masseverbindlichkeiten nur noch 368,91 € Einkommensteuer 2019, 28,47 € Kirchensteuer 2019 und 12,33 € Solidaritätszuschlag 2019 (insgesamt 409,73 €) festsetzte, und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Die Zurückweisung stützte er dabei u.a. auf ein...