Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für in Dauerpflege genommene Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Das Unterhaltserfordernis des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist auch bei Zahlung des Regelpflegegeldsatzes erfüllt, wenn das Pflegegeld aufgrund des besonderen erzieherischen Bedarfes im Einzelfall erhöht wird.

2) Die Prüfung, ob die Pflegeeltern einen nicht unwesentlichen Anteil an den Unterhaltsaufwendungen des Pflegekindes tragen, erfolgt nicht in Anlehnung an die von den Oberlandesgerichten entwickelten Unterhaltstabellen.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1, 1 Nr. 2; SGB VIII § 39

 

Beteiligte

Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, Der Präsident

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen VIII R 63/01)

BFH (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen VIII R 63/01)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für das in Dauerpflege genommene Kind A. Kindergeld zu gewähren ist.

Mit Antrag vom 04.08.1999 beantragte der Kläger (Kl.) Kindergeld für den ehelichen Sohn B. (geb. 09.09.1985) und darüber hinaus für die Kinder C. (geb. 02.01.1988) und D. (geb. 16.06.1990) sowie für A. (geb. 06.07.1989) als Pflegekinder. A. befindet sich nach Mitteilung der Stadt E. seit dem 19.03.1999 auf Vermittlung des Jugendamtes E. im Rahmen der Vollzeitpflege nach § 33 KJHG im Haushalt des Kl. und soll dort dauerhaft bleiben.

Mit Bescheid vom 01.12.1999 lehnte der Beklagte (Bekl.) die Gewährung von Kindergeld für A. ab. Ein Pflegekindschaftsverhältnis scheitere an den nicht hinreichenden eigenen Unterhaltskosten des Kl.

Der Kl. erhob mit Schreiben vom 10.12.1999 gegen den Bescheid Einspruch, den der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.01.2000 zurückwies. A. sei kein Pflegekind des Kl., weil er über die Pflegegeldzahlungen des Jugendamtes der Stadt E. hinaus keinen wesentlichen Unterhalt für das Kind leiste.

Mit Schreiben vom 24.02.2000 erhob der Kl. gegen die EE Klage und verfolgt sein Begehren weiter. Er sei als Sozialpädagogische Pflegestelle tätig und erhalte ausweislich des eingereichten Vertrages vom 24.03.1999 vom Verein Kinder und Jugendhilfe F. e.V. für die Aufnahme und Betreuung von A. monatliche Zahlungen in Höhe von 1.633 DM. Der Betrag setze sich zusammen aus Kosten der Erziehung von 777,00 DM und Pflegegeld von 856,00 DM. Damit erfolge keine Entlohnung der Pflegeeltern nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. A. sei als in erheblichem Maß traumatisiertes Kind auf eine über das normale Maß hinausgehende Betreuung angewiesen. Der Kl. erhalte lediglich 1.633,00 DM monatlich, während die Kosten der Heimerziehung in einem Regelangebot ca. 3.570 DM betragen würden. Der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei einer angestellten Fachkraft stünden im Streitfall 168 Stunden konkreter Zeit des Zusammenlebens im Haushalt gegenüber. Wenn Fachkräfte ihren Jahresurlaub nähmen, würden Erziehungsstelleneltern mit den betreuten Kindern gemeinsam in die Ferien fahren. Trotz des gezahlten erhöhten Erziehungsbeitrages erbringe der Kl. einen Eigenanteil von mindestens 20 % der Kosten. Indiz für die nicht marktgerechte Entlohnung sei auch, daß es trotz angespannter Arbeitsmarktlage ausgesprochen schwierig sei, Erziehungsstelleneltern zu finden.

Der Kl. beantragt,

  • den Bekl. unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1999 und der EE vom 24.01.2000 zu verpflichten, für das Kind A. ab Antragstellung (04.08.1999) Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu gewähren und
  • die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, er gehe davon aus, daß das gesetzliche Unterhaltserfordernis nur gegeben sei, wenn der Pflegeperson nach Anrechnung von Drittmitteln noch eine Restunterhaltsbelastung von mindestens etwa 250 DM im Monatsdurchschnitt verbleibe. Dabei werde der Bezug von normalem Pflegegeld als für den Kindergeldanspruch unschädlich angesehen. Das gelte jedoch nur für die regulären Pflegegeldsätze, die von den zuständigen Landesbehörden nach § 39 SGB VIII als Empfehlung für die Jugendämter festgesetzt würden. Im Streitfall seien erheblich höhere Beihilfen festgesetzt worden. Die daher erforderliche konkrete Prüfung des Unterhaltserfordernisses habe sich nach Auffassung des Bekl. am bürgerlichrechtlichen Unterhaltsbedarf des Kindes zu orientieren, wobei es naheliege, die hierzu von den Oberlandesgerichten entwickelten Unterhaltstabellen (z.B. Düsseldorfer Tabelle) zugrundezulegen.

Der Unterhalt umfasse den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf sowie die Kosten der Erziehung. Dabei sei bis zur Volljährigkeit des Kindes von der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung auszugehen. Lebe das Kind – wie im Streitfall – bei keinem leiblichen Elternteil, sei der Bedarfssatz nach der Düsseldorfer Tabelle zu verdoppeln.

Werde im Streitfall ein Nettoeinkommen von bis zu 8.000 DM unterstellt, betrüge der Unterhaltsbedarf des Kindes A. 819 DM...

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