Entscheidungsstichwort (Thema)

Inländischer Wohnsitz bei Auslandsaufenthalt

 

Leitsatz (redaktionell)

Verlassen die gemeinsamen Kinder mit ihrer Mutter Deutschland für einen Zeitraum von 2 Jahren, führt dieses zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes beim Vater.

 

Normenkette

EStG § 63; AO §§ 8-9; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger Kindergeld ab September 2010 für seine Kinder R, L, S, O und B zusteht.

Der Kläger und seine Frau leben seit 1990 in Deutschland. Sie sind libanesische Staatsangehörige, die inzwischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ihre Kinder R (geboren am 21.04.1991), L (geboren am 06.11.1992), S (geboren am 31.03.1994), O (geboren am 19.02.1996) und B (geboren am 28.04.2005) sind in Deutschland geboren und leben seit ihrer Geburt in Deutschland. Bis auf den 2005 geborenen B haben alle Kinder hier die Schule besucht. Mit Schreiben vom 12.04.2010 teilte die Tochter des Klägers, R, der Beklagten mit, dass sie und ihre vier Brüder in den Libanon ziehen wollen, um die Muttersprache zu erlernen. Der Kläger bestätigte in einem persönlichen Gespräch am 03.08.2010 mit der Beklagten, dass seine Frau mit den fünf Kindern am 20.08.2010 die Bundesrepublik Deutschland verlasse. Es sei geplant, dass sie für zwei Jahre mit den Kindern im Libanon lebe. Er selbst wohne weiter in Deutschland.

Mit Bescheid vom 03.08.2010 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergelds mit Wirkung ab September 2010 für R, L, S, O und B gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf. Die Kinder könnten nicht bzw. nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde.

Der Kläger legte Einspruch ein. Es sei richtig, dass seine Kinder zusammen mit ihrer Mutter Deutschland verlassen hätten und nunmehr im Libanon wohnten. Hintergrund sei, dass die Kinder für eine Dauer von ungefähr zwei Jahren im Libanon ihre Muttersprache, nämlich Libanesisch, an einer dortigen Schule erlernen sollten. Sodann sei geplant, dass die Kinder, die im Übrigen deutsche Staatsangehörige seien, wieder nach Deutschland zurückkommen. Es sei davon auszugehen, dass nur vorübergehend eine Verlagerung des Wohnortes zu Ausbildungszwecken erfolgt sei.

Den Einspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück. Die Kinder hätten keinen Wohnsitz mehr in Deutschland. Soweit vorgetragen werde, die Kinder hielten sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung im Ausland auf, könne dies nicht dazu führen, einen inländischen Wohnsitz anzuerkennen. Bei einem von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt reichten kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich kämen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen” in der bisherigen Wohnung bedeuteten, nicht aus, um die Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes anzunehmen. Im Streitfall seien nicht einmal kurzfristige Aufenthalte zu Besuchszwecken geplant. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2010 Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Klage, mit der er sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt und vertieft, weiter. Er und seine Familie seien fest in Deutschland verwurzelt. Um allerdings die kulturellen, sprachlichen und sozialen Traditionen seines Landes den Kindern näher bringen zu können, habe er sich entschieden, seine Kinder für einen überschaubaren Zeitraum, festgeplant seien höchstens zwei Jahre, im Libanon aufwachsen zu lassen. Seine Ehefrau und die Kinder lebten im Libanon bei den Eltern des Klägers.

Die Kinder besuchten im Libanon eine Schule den jeweiligen Qualifikationen und dem Alter entsprechend. R werde ausgebildet an der Technischen M-Institution, vergleichbar einer deutschen Berufsfachschule mit dem Berufsziel Innendekoration, L an der Technischen M-Institution, vergleichbar mit einer deutschen Berufsfachschule mit dem Berufsziel Automechanik, S ebenfalls an der Technischen M-Institution, vergleichbar mit einer deutschen Berufsfachschule mit dem Berufsziel Automechanik, O besuche die Grundschule und B den Kindergarten. Der Kläger legte entsprechende Schulbescheinigungen vor. Seine Kinder hätten nach wie vor ihren Wohnsitz in Deutschland. Der Auslandsaufenthalt sei lediglich vorübergehend und diene dem Zwecke der Ausbildung.

Der Kläger beantragt,

ihm unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung Kindergeld für seine Kinder R, L, S, O und B über den 31.08.2010 ungekürzt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Einspruchsentscheidung. Der Kläger habe bislang keine Umstände dargelegt, die auf die Beibehaltung des Wohnsitzes in Deutschland schließen ließen. Die vorgetragene Rückkehrabsicht nach Deutschland ändere nichts daran, dass die Kinder ihren Wohnsitz ...

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