Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen von 6% in den Jahren 2012 bis 2015
Leitsatz (redaktionell)
Die Höhe der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 6 % gemäß § 238 AO ist für die Jahre 2012 bis 2015 verfassungsgemäß.
Normenkette
AO § 238; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; AO § 233a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Höhe der (Nachzahlungs-)Zinsen nach § 233a AO aufgrund des Zinssatzes von 6 % für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 15.1.2016 bzw. für die vollen Monate von April 2012 bis Dezember 2015 verfassungswidrig ist.
Die Kläger sind Ehepartner und wurden in den Jahren 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Nachdem die Kläger am 7.2.2013 ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 abgegeben hatten, setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) mit Bescheid vom 6.12.2013 die Einkommensteuer 2011 i.H.v. 35.305 € fest. Hieraus ergab sich eine nachzuzahlende Einkommensteuer i.H.v. 23.654 €. In dem Bescheid setzte das FA des Weiteren (Nachzahlungs-)Zinsen nach § 233a AO fest, und zwar i.H.v. 946 €. Laut dem Bescheid begann der Zinslauf hierfür am 1.4.2013 und endete am 9.12.2013. Zu verzinsen waren danach acht volle Monate (April 2013 bis November 2013) zu je 0,5 %.
Für das Jahr 2010 ging am 22.12.2015 beim FA eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 durch das Finanzamt … ein. Diese betraf eine Beteiligung des Klägers an einem Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Daraufhin erließ das FA unter dem Datum vom 12.1.2016 einen Bescheid, mit dem es die Einkommensteuer 2010 geändert festsetzte, und zwar i.H.v. 27.012 €. Hieraus ergab sich eine nachzuzahlende Einkommensteuer i.H.v. 11.300 €. Auch in diesem Bescheid setzte das FA (Nachzahlungs-)Zinsen nach § 233a AO fest, und zwar i.H.v. 2.659 €, wobei bisher bereits Zinsen i.H.v. 117 € festgesetzt waren und aufgrund des Änderungsbescheids weitere Zinsen i.H.v. 2.542 € festgesetzt wurden. Laut dem Bescheid begann für die weiteren Zinsen i.H.v. 2.542 € der Zinslauf am 1.4.2012 und endete am 15.1.2016. Zu verzinsen waren danach 45 volle Monate (April 2012 bis Dezember 2015) zu je 0,5 %.
Gegen beide o.g. Zinsfestsetzungen legten die Kläger jeweils Einspruch ein und beantragten (hilfsweise), die Zinsen aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Sie machten u.a. geltend, die Höhe der Verzinsung mit einem Zinssatz von 6 % sei angesichts eines erzielbaren Zinses für langfristige Geldanlagen von 0,20 % bzw. 0,25 % fernab der Realität. Darüber hinaus machten sie geltend, für das Jahr 2011 habe das FA zehn Monate zur Bearbeitung der Steuererklärung gebraucht. Für das Jahr 2010 sei ihnen die Höhe der Beteiligungseinkünfte und die steuerliche Behandlung eines Veräußerungsgewinns, welche zu der Verzinsung geführt hätten, vorher nicht bekannt gewesen, so dass es für sie nicht möglich gewesen sei, die Verzinsung zu vermeiden. Auch dort habe es Verzögerungen gegeben, welche sie nicht hätten beeinflussen können. Des Weiteren hätten sie in der Vergangenheit bereits erhebliche Steuerzahlungen geleistet. Ihre eigenen Zinserträge seien an sich für ihre Altersvorsorge vorgesehen.
Das FA wies die beiden o.g. Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 11.7.2016 als unbegründet zurück. Die Zinsen seien zutreffend nach Maßgabe des § 233a AO ermittelt worden. Etwas anderes machten auch die Kläger nicht geltend. Der Zinsfestsetzung stehe auch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass eine längere Bearbeitungszeit des FA einer Zinsfestsetzung nicht entgegenstehe. Das gelte jedenfalls für eine Bearbeitungszeit von der Länge, welche die Kläger für das Jahr 2011 geltend machten. Auch im Übrigen sei die Verzinsung unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Steuerpflichtigen oder des Finanzamts. Des Weiteren sei die Höhe der Zinsen und hierbei der Zinssatz von 6 % nicht verfassungswidrig. Die bisherige Rechtsprechung des BFH und weiterer Gerichte hielten den Zinssatz von 6 % trotz der seit 2009 andauernden Niedrigzinsphase weiterhin für verfassungsgemäß. Auch wenn diese Rechtsprechung nicht vollständig den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum abdecke, gelte die Beurteilung hier in gleicher Weise.
Zu dem Antrag auf einen Billigkeitserlass für die Zinsen betreffend das Jahr 2011 ging das FA davon aus, dass es diesen im Rahmen des Einspruchsverfahrens durch ein Erörterungsschreiben abgelehnt und die Kläger hiergegen Einspruch eingelegt haben. In der Einspruchsentscheidung führte das FA hierzu aus, der Antrag sei zu Recht abgelehnt worden. Den Antrag auf einen Billigkeitserlass für die Zinsen betreffend das Jahr 2010 lehnte das FA (erstmals) im Rahmen der Einspruchsentscheidung ab.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Diese beschränken sie auf die Zinsfestsetzungen. Sie machen hierbei nunmehr ausschließlich geltend, im fraglichen Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 15.1.2016 verstoße die Höhe der Zinsen aufgrund des ...