Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtung als Kind trotz Vollzeiterwerbstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kind, das sich um einen Studienplatz beworben hat, ist ab dem Zeitpunkt der Bewerbung bis zur Aufnahme des Studiums auch dann als Kind zu berücksichtigen, wenn es während der Wartezeit einer Vollzeiterwerbtätigkeit nachgeht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der (anteilige) Jahresgrenzbetrag für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes im Streitjahr 2008 überschritten wurde.
Der Kläger beantragte im November 2008 für seinen im Jahr 1987 geborenen Sohn B. die Festsetzung von Kindergeld ab Oktober 2008 (Bl. 184 der Kindergeldakte). Grund hierfür war die Aufnahme des Studiums der Sozialarbeit und Pädagogik ab 01.09.2008 an der Fachhochschule E-Stadt (vgl. Bl. 220 der Kindergeldakte). Für diesen Studiengang hatte sich B. im Online-Verfahren im Mai 2008 bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) beworben; die Zusage erfolgte im Juli 2008 (Bl. 217 ff. der Kindergeldakte).
Nachdem B. im Sommer 2007 sein Fachabitur erlangt hatte, nahm er bis zu seinem Studienbeginn im Wintersemester 2008/2009 eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 21.09.2008. Im Streitjahr 2008 bezog B. Bruttobezüge in Höhe von EUR 16.116,56. Steuerlich belastet waren Einnahmen in Höhe von EUR 14.740,38. Auf den Zeitraum Mai bis September 2008 entfielen steuerpflichtige Einnahmen in Höhe von EUR 8.530,45 und Bezüge in Höhe von EUR 863,22. Der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung betrug im Jahr 2008 insgesamt EUR 2.984,25; auf den Zeitraum Mai bis September 2008 entfielen EUR 1.729,83 (vgl. Bl. 234 der Kindergeldakte).
Der Kläger verzichtete mit Schreiben vom 12.07.2009 auf seinen Kindergeldanspruch für den Zeitraum zwischen der Bewerbung und dem Beginn des Studiums. Er beantragte ausdrücklich die Festsetzung des Kindergeldes ab 01.10.2008 (vgl. Bl. 211 der Kindergeldakte).
Mit Bescheid vom 23.07.2009 setzte die Familienkasse, die Beklagte, für B. ab Januar 2009 Kindergeld fest (Bl. 215 der Kindergeldakte). Mit dem vorliegend angefochtenem Bescheid vom 04.11.2009 lehnte sie dagegen für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2008 die Festsetzung des Kindergeldes ab. Zur Begründung führte sie an, B. sei grundsätzlich bereits mit seiner Bewerbung ab Mai 2008 als Kind i.S. des Kindergeldes zu berücksichtigen. Allerdings überstiegen für diesen Zeitraum die eigenen Einkünfte und Bezüge den anteiligen Jahresgrenzbetrag von EUR 5.120 ((8)/(12) von EUR 7.680). Zur Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 235 der Kindergeldakte Bezug genommen.
Die Beklagte wies den Einspruch, der nicht begründet wurde, mit Bescheid vom 11.01.2010 zurück. Hierbei hielt sie an ihrer Auffassung fest, dass die eigenen Einkünfte und Bezüge des Sohnes B. in dem maßgebenden Zeitraum ab 01.05.2008 in Höhe von insgesamt EUR 6.951,44 (vgl. hierzu S. 4 der Einspruchsentscheidung) den anteilig gekürzten Jahresgrenzbetrag von EUR 5.120 überschritten.
Mit der Klage beansprucht der Kläger für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2008 die Festsetzung des Kindergeldes. Zur Begründung trägt er vor, dass nur für den vorgenannten Zeitraum die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld vorgelegen hätten. Während der Zeit von Mai bis einschließlich September 2008 habe B. in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, das nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu fassen sei. Deshalb dürften die dort bezogenen Einkünfte und Bezüge bei der Prüfung des Überschreitens des Jahresgrenzbetrags nicht mit einbezogen werden. Ein Kind, das sich – wie vorliegend – aus einer Erwerbstätigkeit heraus um einen Ausbildungsplatz bewerbe, sei grundsätzlich erst nach Beendigung der Erwerbstätigkeit steuerlich als Kind zu berücksichtigen. Zudem setze die steuerliche Berücksichtigung eines volljährigen Kindes mit Kindergeld voraus, dass der Steuerpflichtige (Kindergeldberechtigte) typischerweise zum Unterhalt des Kindes verpflichtet sei. Eine solche Unterhaltssituation entfalle bei hinreichenden eigenen Einkünften des Kindes. Im Streitfall sei B. ohne weiteres bis einschließlich September 2008 in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 04.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.01.2010 zu verpflichten, für seinen am 26.05.1987 geborenen Sohn B. für die Kalendermonate Oktober bis Dezember 2008 Kindergeld in der gesetzlichen Höhe festzusetzen und auszuzahlen.
Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, beantragt der Kläger,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte an, nach ihrer Weisungslage seien auch die Monate, in denen dem Kind ein Ausbildungsplatz zugesagt sei, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt die Ausbildung angetreten werden...