Leitsatz
Ein Kind, das sich um einen Studienplatz beworben hat, ist ab dem Zeitpunkt der Bewerbung bis zur Aufnahme des Studiums auch dann als Kind zu berücksichtigen, wenn es während der Wartezeit einer Vollzeiterwerbtätigkeit nachgeht.
Sachverhalt
Ein Vater beantragte für seinen im Jahr 1987 geborenen Sohn ab dem 1.10.2008 die Gewährung von Kindergeld, da der Sohn ab diesem Zeitpunkt sein Studium, für das er sich im Mai 2008 beworben hatte, aufgenommen hat. Die Familienkasse lehnt die Gewährung von Kindergeld für das Jahr 2008 ab, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes für die Zeit vom Mai bis Dezember 2008 wegen einer bis September ausgeübten Vollzeiterwerbstätigkeit den anteiligen Jahresgrenzbetrag überschritten. Im Klageverfahren begehrt der Vater Kindergeld für Oktober bis Dezember 2008, da nur für diesen Zeitraum die sachlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG vorgelegen hätten.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG lagen im Streitfall für die Monate Mai-September 2008 die Voraussetzungen des §32 Abs. 4 Nr. 2c EStG und für den Zeitraum Oktober bis Dezember die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG vor. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH, der sich das FG anschließt, ist ein Kind, das auf einen Ausbildungsplatz wartet, auch für die Monate zu berücksichtigen, in denen es einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht . Der Einwand des Vaters, bis zur Aufnahme des Studiums habe keine typische Unterhaltssituation vorgelegen, greift nicht durch. Denn die Typisierung einer Unterhaltssituation ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Ob ein Kind wegen eigener Einkünfte nicht auf Unterhaltsleistungen der Eltern angewiesen und deshalb nicht als Kind zu berücksichtigen ist, ist nicht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG zu beurteilen, sondern erst bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den maßgebenden Grenzbetrag überschreiten. Maßgebend ist hierbei das Jahresprinzip. Sind im Fall des Überschreitens des Jahresgrenzbetrags die Einkünfte und Bezüge eines Kindes in den einzelnen Berücksichtigungsmonaten - wie im Streitfall - unterschiedlich hoch, so ist es nach dem Jahresprinzip ausgeschlossen, Kindergeld für einzelne Monate, in denen keine oder nur geringe Einkünfte oder Bezüge zugeflossen sind, zu gewähren.
Hinweis
Da zu der Problematik "Vollzeiterwerbstätigkeit" noch die Verfahren III R 74/09, III R 37/10, III R 39/10, III R 50/10 beim BFH anhängig sind, sollten die wegen dieser Rechtsfrage eingelegten Einsprüche auf Verlangen der Familienkasse nicht vorschnell zurückgenommen werden. Die Chancen, dass der BFH nochmals anders entscheidet sind einerseits zwar äußerst gering, andererseits sind die Sachverhalte in den noch anhängigen Verfahren oft etwas anders gelagert. Es besteht daher immer noch die Möglichkeit, dass der BFH bei Vorliegen einer bestimmten Fallkonstellation doch noch eine andere Entscheidung trifft.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 17.09.2010, 4 K 358/10 Kg