Entscheidungsstichwort (Thema)
Abziehbarkeit von Gewinnabschöpfungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG greift bei Auflagen zur Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 153a StPO nur dann, wenn die Auflage als strafähnliche Sanktion die Aufgabe hat, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen.
2. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen nicht unter das Abzugsverbot.
3. Für die Abgrenzung kommt es auf die objektiven Gegebenheiten an; subjektive Vorstellungen sind unerheblich.
4. Zahlungen im Rahmen des § 153a StPO, die der Gewinnabschöpfung dienen, dienen in erster Linie dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen; sie haben keinen Strafcharakter und unterliegen somit nicht dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG.
Normenkette
StPO § 153a; EStG § 12 Nr. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheids. In der Sache ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen streitig, ob aufgrund einer Auflage gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) gezahlte bzw. noch zu zahlende Geldbeträge unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fallen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Mai 2006 zum Betriebeiner Biogasanlage gegründet wurde. An ihrem Vermögen waren im Streitjahr – jeweils zu 50 % – Herr V. S. (Vater) und Herr F. S. (Sohn) beteiligt. Sie erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr (01.07. bis 30.06.) und ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Mit immissionsschutzrechtlichem Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung B-Stadt vom xx.xx.2004 wurde Herrn V. S. eine noch zu errichtende Biogasanlage mit der Maßnahme genehmigt, dass die Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 933 kW (elektrische Leistung 330 kW) betrieben werden durfte.
Im November 2006 nahm die Klägerin die Biogasanlage zur Stromerzeugung in Betrieb. Der erzeugte Strom wurde gemäß einer Vereinbarung mit den Stadtwerken B-Stadt entgeltlich in das städtische Versorgungsnetz eingespeist. Seit Ende 2006 und bis Ende Januar/Anfang Februar 2009 betrieb die Klägerin die Biogasanlage durch Zuschaltung eines zweiten Motors mit einer elektrischen Leistung von mehr als 330 kW. Teilweise wurde ein Wert von 500 kW elektrischer Leistung überschritten.
Im Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Erweiterung der Biogasanlage bis zueiner elektrischen Leistung von 499 kW. Im Rahmen der Antragsbearbeitung wurde ein Sachbearbeiter der Stadtverwaltung B-Stadt auf die Überschreitung des bisherigen Grenzwertes aufmerksam und erstattete Strafanzeige. Vor diesem Hintergrund wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Gesellschafter der Klägerin wegen des Verdachts des unerlaubten Betreibens einer nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlage gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) eingeleitet.
Ab März 2009 betrieb die Klägerin die Biogasanlage entsprechend der erteilten Genehmigung (elektrische Leistung 330 kW).
Im September 2009 bewilligte die Stadtverwaltung B-Stadt den Betrieb der Biogasanlage bis zu einer elektrischen Leistung von 499 kW.
Im Verlauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden die von der Klägerin erzielten unberechtigten Erträge aus der Vermarktung des illegal erzeugten Stroms i. H. v. zunächst 634.083 EUR durch die Staatsanwaltschaft berechnet.
Im April 2011 bot der Staatsanwalt den Gesellschaftern der Klägerin an, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren unter Erteilung einer Geldauflage i. S. d. § 153a Abs. 1 StPO i. H. v. 634.000 EUR einzustellen. Weiter erscheine es sachgerecht und angemessen, jedem Gesellschafter eine weitere Zahlungsauflage i. H. v. 5.000 EUR aufzuerlegen. Die Gesellschafter der Klägerin stimmten diesem Vorschlag nicht zu.
Im Juli 2011 übersandte die Staatsanwaltschaft B-Stadt die Anklageschrift an das Landgericht B-Stadt. In dieser führte sie u. a. aus, dass der Wert des durch die Überschreitung der genehmigten elektrischen Energie von 330 kW zusätzlich erzeugten Stromes im Tatzeitraum 634.083 EUR betragen habe. Dieser Betrag unterliege dem Verfall von Wertersatz.
Im Januar 2012 wurde mit Beschluss des Landgerichts B-Stadt die Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt zur Hauptverhandlung zugelassen.
Im April 2013 vermerkte der zuständige Staatsanwalt, dass nach zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Fällen formeller Illegalität, aber materieller Genehmigungsfähigkeit, ein Verfall in Höhe der ersparten Aufwendungen für das Genehmigungsverfahren anzusetzen sei. Die Stadtverwaltung B-Stadt habe auf Nachfrage bestätigt, dass die Biogasanlage der Klägerin auch im Zeitraum Ende 2006 bis Ende Januar/Anfang Februar 2009 bis 499 kW genehmigungsfähig gewesen sei. Dem Verfall von Wertersatz unterliege daher das über eine Produktion von 500 kW hinausgehend Erlangte. Dieser Vermerk wurde dem Polizeipräsidium B-Stadt mit der Aufforderung übersandt, durch ergänzende Ermittlungen bei den Stadtwerken B-Stadt festzust...