Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung des Prüfungszeitraums, Zweitprüfung, Verjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei massiven Manipulationen der Ausgangsrechnungen und des Kassenbuchs und damit bestehendem Verdacht einer Steuerstraftat kann der zunächst vorgesehene Prüfungszeitraum auf weitere Jahre erweitert werden.

2) Die Prüfungserweiterung kann sich in einem solchen Fall auch auf bereits geprüfte Veranlagungszeiträume erstrecken sowie solche, für die die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.

3) Die Anordnung zur Erweiterung des Prüfungszeitraums muss spätestens in Gestalt der Einspruchsentscheidung eine Begründung enthalten, aus der sich der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit ergibt.

 

Normenkette

AO § 193 Abs. 1; BpO § 4 Abs. 3; AO § 126 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfungserweiterung, die sich z.T. auf einen bereits geprüften Zeitraum bezieht (sog. Zweitprüfung).

Der Kläger betreibt eine Kfz-Werkstatt sowie den Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Mit Bescheid vom 12.07.2007 wurde für die Jahre 2004 bis 2006 eine Außenprüfung betreffend Einkommensteuer (ESt), Umsatzsteuer (USt) und Gewerbesteuer (GewSt) angeordnet. Ausweislich der Tz. 2.1 des Betriebsprüfungs(Bp)-Berichts vom 24.10.2007 wurden Feststellungen, die gegen eine Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, nur in geringem Umfang getroffen. Die vorgelegten Unterlagen zur Kassenführung seien mit Mängeln behaftet. In Tz. 2.2 des Bp-Berichts heißt es sodann, dass die vorgelegten Aufzeichnungen zur Einnahmeerfassung einzelne Mängel aufweisen würden und zur Sicherstellung der Vollständigkeit der Einnahmen am 10.10.2007 eine tatsächliche Verständigung (tV) über die Höhe einer Hinzuschätzung zu den bislang erklärten Einnahmen getroffen worden sei. Hiernach sei der Gewinn 2004 um X EUR zu erhöhen, der Gewinn 2006 um X EUR, die USt 2004 um X EUR und die USt 2006 um X EUR.

Mit Bescheid vom 19.10.2010 wurde eine Anschlussprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 betreffend ESt, USt und GewSt angeordnet. Aufgrund der während dieser Prüfung getroffenen Feststellungen – vgl. Verdachtsprüfungsvermerk vom 17.12.2010 – wurde ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Verkürzung von ESt und GewSt 2007 bis 2009 und USt 2007 bis Oktober 2010 eingeleitet, in dessen Rahmen es am 13.01.2011 zu einer Durchsuchung der Betriebs- und Geschäftsräume des Klägers kam. Das Steuerstrafverfahren wurde am 08.03.2011 auf die ESt und GewSt 2004 bis 2006 sowie USt 2005 und 2006 erweitert; zudem sollten die ESt und GewSt 2003 sowie die USt 2003 und 2004 nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO geprüft werden. Zur Begründung heißt es in dem „Vermerk über die Erweiterung des Steuerstrafverfahrens” vom 08.03.2011 u.a. wie folgt:

Der Kläger führe sein Kassenbuch unter Verwendung des Programms Excel, ohne die Kassenuraufzeichnungen aufzubewahren. Allerdings hätten während der Durchsuchung vom 13.01.2011 noch die Uraufzeichnungen für Oktober 2010 sichergestellt werden können. Aus diesen ergebe sich, dass es sich sowohl bei den im Kassenbuch erfassten Einnahmen als auch bei den vom Kläger gefertigten Ausgangsrechnungen um reine Phantasieprodukte handele. Im Oktober 2010 seien nur 46,66 % der tatsächlichen Erlöse in das Excel-Kassenbuch übertragen worden. Allein schon die vorstehenden Feststellungen würden den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte auch in den Jahren vor 2007 Steuern verkürzt habe, denn es wäre lebensfremd und widerspräche jeglichen kriminalistischen Erfahrungswerten, wenn der Beschuldigte seine Steuerverkürzungen genau mit Beginn des Prüfungszeitraums begonnen hätte. Zudem würden diverse Einzelfeststellungen, die unmittelbar die Jahre 2003 bis 2004 beträfen, den Verdacht der Steuerverkürzung stützen (wird näher ausgeführt, u.a. Mahnungen an Kunden ohne zugehörige Rechnung). Außerdem habe der Kläger einen Teil des Kellers seines Hauses A-Straße 1, 1a ohne Baugenehmigung zu Barräumen umgebaut. Die erste Feier in dem Keller sei am 31.12.2004 gewesen. Die Finanzierung der Kosten für den Kellerausbau sei ungeklärt. Es sei davon auszugehen, dass die mit der Erstellung der Gewerke zusammenhängenden Zahlungen bar aus der Schwarzgeldkasse erfolgt seien.

Mit Bescheid vom 09.03.2011 wurde auch die Außenprüfung erweitert, und zwar auf die Jahre 2003 bis 2006. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid wie folgt:

„Die Erweiterung des Prüfungszeitraumes/-umfangs ist nach § 4 Abs. 3 BpO aus folgenden Gründen erforderlich:

Es ist mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen.

Es besteht der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit.

Begründung:

vgl. Verdachtsprüfungsvermerk vom 17.12.2010”

Die Prüfungserweiterungsanordnung wurde dem Kläger am 09.03.2011 persönlich ausgehändigt. Zugleich wurde ihm ein Exemplar der vom Beklagten erstellten „Zusammenstellung der Besprechungspunkte / Rückfragen” vom 09.03.2011 betreffend die Jahre 2007 b...

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