Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für ein in der Ausbildung befindliches, verheiratetes Kind
Leitsatz (redaktionell)
Ob für ein verheiratetes, in der Ausbildung befindliches Kind noch ein Kindergeldanspruch besteht, richtet sich nach der Höhe seines Unterhaltsanspruchs gegen den Ehegatten. Dieser ist nach unterhaltsrechtlichen Regeln zu bestimmen und sodann für die Jahre 2009 bis 2011 mit dem Grenzbetrag für eigene Einkünfte des Kindes gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu vergleichen.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 und 2, § 32 Abs. 4 S. 2, § 62 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers für seine am 27.10.1988 geborene Tochter D. im Streitzeitraum Juni 2009 bis Mai 2011.
D. besuchte von August 2005 bis Juli 2009 das X.-Berufskolleg (Fachrichtung Höhere Handelsschule) in E., von August 2009 bis Juni 2010 die Y.-Schule (Fachrichtung Berufsfachschule – Hauswirtschaft) in I. und von August 2010 bis Januar 2011 die Y.Schule (Fachrichtung Fachoberschule – Gesundheit und Soziales). Von Januar bis Juli 2011 war sie bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet und nahm an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme der Z. GmbH, I., als Maßnahmeträger teil. Die Maßnahme beinhaltete theoretischen Unterricht und Praktika in unterschiedlichen Berufsfeldern mit dem Ziel der Qualifizierung in Ausbildung. Aufgrund dieser Maßnahme durfte D. – unter weiteren Voraussetzungen – bei der Bundesagentur für Arbeit eine Berufsausbildungsbeihilfe beantragen. Ab August 2011 absolvierte D. eine Ausbildung zur Bürokauffrau bei der Firma A. GmbH, I., und bezog eine Ausbildungsverfügung von 400,– EUR monatlich.
Am 14.05.2009 heiratete sie Herrn M. C.
Ihr Ehemann erzielte ausweislich vorgelegter Lohnabrechnungen im Jahr 2009 steuerpflichtige Bruttoeinnahmen als Angestellter in Höhe von 21.729,97 EUR und Nettoeinnahmen (Bruttoeinnahmen abzüglich Steuern und Sozialversicherung, ohne Werbungskosten) von 16.210,84 EUR. Auf den Zeitraum Juni bis Dezember 2009 entfielen brutto 13.105,77 EUR und netto 10.299,11 EUR. Im Jahr 2010 erzielte er steuerpflichtige Bruttoeinnahmen von 21.556,53 EUR und Nettoeinnahmen (s.o.) von 16.976,84 EUR, im Zeitraum von Januar bis April 2011 Bruttoeinnahmen von 6.658,15 EUR und Nettoeinnahmen von 5.268,11 EUR.
Mit Bescheid vom 03.09.2009 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers für D. C. gem. § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – ab Juni 2009 auf, da das Kind verheiratet sei und ab dem Folgemonat der Eheschließung einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten besitze, so dass sie sich selbst unterhalten könne.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.09.2009 Einspruch ein. Zur Begründung legte er Gehaltsnachweise des Herrn M. C., Unterlagen über von diesem zu tragende Kosten (Miete, Mietnebenkosten) sowie über Ausbildungskosten seiner Tochter (Bücher im Wert von 16,– EUR) vor.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.05.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Tochter des Klägers habe sich im Streitzeitraum zwar in Ausbildung befunden. Ihre Einkünfte und Bezüge für den Zeitraum Juni bis Dezember 2009 überschritten aber den anteiligen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 EStG, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – bei verheirateten Kindern spätestens ab dem Folgemonat der Eheschließung davon auszugehen sei, dass das Kind einen vorrangigen Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehegatten besitze. Nur wenn der Ehegatte zum vollständigen Unterhalt des Kindes aufgrund eines zu niedrigen Einkommens nicht beitragen könne und das Kind selbst nicht über ausreichende Einkünfte und Bezüge verfüge (sog. Mangelfall), bleibe der Kindergeldanspruch des Elternteils bestehen. Als Unterhaltsleistung des Ehegatten sei die Hälfte der Differenz zwischen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes einerseits und dem (höheren) Nettoeinkommen des Ehegatten (begrenzt durch das Existenzminimum) andererseits anzurechnen.
Im Streitfall überstiegen die Einkünfte und Bezüge von D. C. unter Einbeziehung ihrer Unterhaltsansprüche den anteiligen Grenzbetrag in Höhe von 4.480,– EUR für den Zeitraum Juni bis Dezember 2009. Denn die Nettoeinkünfte ihres Ehegatten im genannten Zeitraum betrügen 9.794,54 EUR. Da D. C. selbst über keine eigenen Einkünfte verfüge, sei hiervon die Hälfte, mithin 4.897,27 EUR, als Unterhalt anzurechnen. Auch unter weiterer Berücksichtigung einer Kostenpauschale von 180,– EUR sei der anteilige Grenzbetrag überschritten.
Der Kläger verfolgt sein Begehren – ausdrücklich für den Streitzeitraum Juni 2009 bis Mai 2011 – mit seiner am 07.06.2011 erhobenen Klage weiter.
Er trägt vor, die Einkünfte und Bezüge seiner Tochter D. C. hätten im Streitzeitraum den Grenzbetrag nicht überschritten. Denn bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs sei dem Unterhaltspflichtigen ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 der Einkünfte zuzugestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte – wie im Streitfall – nicht ...