Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdienstausfallerstattung als Lohnersatzleistung
Leitsatz (redaktionell)
Die nach § 38 Abs. 4 S. 2 SGB V erbrachte Verdienstausfallerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung stellt eine vergleichbare Lohnersatzleistung i. S. des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG dar.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; SGB V § 38 Abs. 1, 4 Sätze 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Leistungen der AOK nach § 38 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1b) Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen.
Die Kläger sind verheiratet und haben vier minderjährige Kinder. Der Kläger erzielte im Streitjahr als Dreher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin war Hausfrau. Der Kläger und seine Familie waren bei der AOK … krankenversichert.
In der Zeit vom 19.03.-27.04.1996 war die Klägerin erkrankt. Der Kläger nahm unbezahlten Urlaub und führte anstelle der Klägerin den Familienhaushalt. Die AOK erbrachte Leistungen nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Sie überwies an den Kläger … DM.
Bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte der Beklagte diesen Betrag im Einkommensteuerbescheid 1996 vom 25.04.1997 im Rahmen des Progressionsvorbehalts. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Sie trugen vor, es handele sich nicht um Lohnersatz, sondern um Aufwandsersatz. Der Aufwandsersatz stelle eine Leistung der Krankenversicherung an die Klägerin dar, die im Rahmen der Familienversicherung selbst versichert sei. Daß der Aufwandsersatz direkt an den Kläger ausgezahlt worden sei, ändere daran nichts.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.1997 mit der Begründung zurück, bei der Leistung der AOK handele es sich um Lohnersatzleistungen nach dem SGB V, die dem Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld vergleichbar seien. Der Kläger habe Verdienstausfall erhalten, weil er anstelle seiner erkrankten Ehefrau den Haushalt geführt und für diesen Zeitraum auf die Erzielung von Arbeitslohn verzichtet habe. Die Leistungen seien nach dem ansonsten erzielbaren Lohn bemessen worden und seien an dessen Stelle getreten.
Mit der dagegen erhobenen Klage wiederholen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und führen ergänzend aus, der Kläger habe die Pflege der Klägerin im Rahmen des familiären Verhältnisses übernommen. Da er dafür unbezahlten Urlaub genommen habe, sei ihm in Höhe des Verdienstausfalls ein Aufwand entstanden. Diese Kosten habe die Krankenkasse ersetzen müssen. Die Ersatzleistung erfolge jedoch ausschließlich gegenüber der Klägerin. Diese habe die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und sei anspruchsberechtigt gewesen. Darauf komme es bei der Frage, ob Leistungen nach § 32b Abs. 1 EStG zu erfassen seien, an. Die Auszahlung an den Kläger stelle nur eine Abkürzung des Zahlungswegs dar.
Nachdem die Kläger weiter geltend gemacht haben, der Bescheid sei hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig zu erklären, hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid durch Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15.12.1997 insoweit geändert. Die Kläger haben den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Sie beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15.12.1997 zu ändern und die Leistungen der AOK in Höhe von … DM nicht in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung der Einspruchsentscheidung und ist der Auffassung, es handele sich nicht um Aufwandsersatz der Klägerin, sondern um Verdienstausfall des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15.12.1997 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat die nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB Verbrachte Leistung der AOK zutreffend gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1b) EStG dem Progressionsvorbehalt unterworfen. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 1b) EStG ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen u. a. nach dem SGB V bezogen hat. Dies ist hier der Fall.
Die nach § 38 Abs. 4 SGB V erbrachte Leistung der AOK stellt eine vergleichbare Lohnersatzleistung im Sinne dieser Vorschrift dar.
Nach § 38 SGB V erhalten Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung Haushaltshilfe, wenn ihnen unter anderem wegen Krankenhausbehandlung oder häuslicher Haushaltspflege die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist ferner, daß im Haushalt (mindestens) ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist (§ 38 Abs. 1 SGB V). Die Haushaltshilfe wird dabei grundsätzlich von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung gewährt (§ 2 Abs. 2 SGB V). Nur wenn die Krankenkasse keine eigene Haushaltshilfe stellen kann oder...