Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungskosten, Wertsteigerungen bis zum 31.12.2001
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Ermittlung des Ergebnisses aus der Veräußerung einer wesentlichen Kapitalgesellschaftsbeteiligung i.S.v. § 17 EStG sind die tatsächlichen Anschaffungskosten auch dann zugrunde zu legen, wenn aufgrund des Urteils des BVerfG v. 7.7.2010 - 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl. II 2011, 86, Wertsteigerungen bis zum 31.12.2001 unberücksichtigt bleiben. Der Ansatz fiktiver Anschaffungskosten in Höhe des zum 31.12.2001 maßgeblichen Verkehrswerts der Beteiligung scheidet aus.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2008 ein Verlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) anzusetzen ist.
Die Klägerin hielt einen Anteil an der I-GmbH in Höhe von 1,33 % des Gesamtkapitals. Ihren Anteil veräußerte sie im Streitjahr 2008 zu einem Verkaufspreis von 150.000 Euro. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2008 ermittelte die Klägerin Anschaffungskosten für die Beteiligung mit 51.480,32 Euro und erklärte demzufolge einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Einkommensteuergesetz in Höhe von 98.520 Euro. Zu den Einzelheiten wird auf die Berechnung der Klägerin (Bl. 88 der Steuerakte) Bezug genommen.
Durch Bescheid vom 12.05.2010 veranlagte der Beklagte die Klägerin erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und erfasste den Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 EStG im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens mit 49.260 Euro. Die Steuerfestsetzung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Zu den Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid (Bl. 102 der Steuerakte) hingewiesen.
Unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07.07.2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) beantragte die Klägerin am 15.12.2010 die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2008 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG sei die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG durch das Steuersenkungsgesetz vom 26.10.2000 insoweit verfassungswidrig, als im Rahmen einer Veräußerung von Anteilen i. S. d. § 17 EStG Wertzuwächse der Besteuerung unterworfen würden, welche vor der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze bereits entstanden gewesen, aber erst danach realisiert worden seien. Die stillen Reserven seien daher in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Teil aufzuteilen, wobei maßgeblicher Aufteilungsstichtag der 31.12.2001 sei.
Im Fall der Klägerin sei der Verkehrswert der Anteile zum Aufteilungsstichtag 31.12.2001 mit 290.000 Euro zu ermitteln. Im Anschluss daran sei es zu einem Wertverfall der Beteiligung gekommen. Die bis zum 31.12.2001 eingetretenen Wertsteigerungen seien unter Beachtung der Grundsätze des BVerfG-Beschlusses vom 07.07.2010 nicht steuerbar. Der Anteilswert zum 31.12.2001 bilde für die Ermittlungen der anzusetzenden Einkünfte gemäß § 17 EStG die Anschaffungskosten mit der Folge, dass durch die Veräußerung der Beteiligung in 2008 zu einem Verkaufspreis von 150.000 Euro ein Verlust in Höhe von 140.000 Euro entstanden sei, der im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens in Höhe von 70.000 Euro steuermindernd anzusetzen sei.
Dem Antrag entsprach der Beklagte insoweit, als er durch Bescheid vom 02.02.2011 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften i. S. d. § 17 EStG in Höhe von 0,00 Euro neu festsetzte. Die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes hielt er dagegen nicht für angezeigt. Zu den Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid (Bl. 126 der Steuerakte) hingewiesen.
Am 17.03.2011 beantragte die Klägerin erneut die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2008 zur Berücksichtigung eines Verlustes i. S. d. § 17 EStG in Höhe von 70.000 Euro. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG vom 07.07.2010 vertrat die Klägerin die Auffassung, der zum Aufteilungsstichtag festgestellte Wert der Beteiligung sei als fiktive Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandeln und der Ermittlung des in 2008 erzielten Veräußerungsgewinns zugrundezulegen. Soweit der Beklagte meine, dass ausweislich des BMF Schreibens vom 20.12.2010 (IV C 6-S-2244/10/10001, BStBl I 2011, 16 dort unter C. II. 3. b) bei einer nach dem Aufteilungsstichtag eintretenden Wertminderung die ursprünglichen Anschaffungskosten bei der Ermittlung des steuerbaren Veräußerungsgewinns nicht durch den gemeinen Wert zum Aufteilungsstichtag ersetzt würden, sei dieser Auffassung nicht zu folgen. Das BMF Schreiben stehe insoweit nicht im Einklang mit dem Beschluss des BVerfG und sei in sich widersprüchlich. So deckten sich die Ausführungen des BMF Schreibens unter Buchstabe C.II. 1. mit der von der Klägerin vertretenen Auffassung. Gestützt werde diese Auffassung dadurch, dass auf der Basis von Art 3 Grundgesetz (GG) im Steuerrecht grundsätzlich eine Regelungssymmetrie...