Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzweise Ermittlung von Verkaufsumsätzen; Nachweispflicht des Stpfl. bei Ausfuhrlieferung; Beweiserhebung durch das Gericht
Leitsatz (redaktionell)
1. Das erkennende Gericht kann seine Verpflichtung zur eigenen Schätzung dadurch erfüllen, dass es die Schätzung der Finanzbehörde prüft und als eigene übernimmt und sich dann darauf beschränkt, substantiierten Einwendungen gegen die Schätzung des Finanzamtes nachzugehen.
2. Beantragt der Stpfl. die Vernehmung des Umsatzsteuer-Sonderprüfers oder des steuerlichen Beraters zu der Frage, ob alle erforderlichen Belege bereits einmal vorgelegt worden seien, ist dem nicht nachzugehen. Der Senat ist bei einem fehlenden Belegnachweis nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung durchzuführen.
Es bedarf zur Rechtmäßigkeit der griffweisen Schätzung einer ausreichenden Begründungstiefe, dass und warum diese Schätzungsmethode im jeweiligen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht. Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Stpfl. obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Stpfl. einen Sicherheitszuschlag oder -abschlag vorzunehmen.
Normenkette
UStG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 162 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; UStG § 15
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind diverse Feststellungen einer beim Kläger und bei der C GmbH, die zeitweise (30.01.2014 bis 08.11.2015 und 01.11.2016 bis 31.12.2016) umsatzsteuerlich als eine Organgesellschaft des Klägers behandelt worden ist, durchgeführten Betriebs- bzw. Steuerfahndungsprüfung.
Der Kläger betrieb von Anfang 2009 bis zum 30.03.2014 im Rahmen eines Einzelunternehmens einen Handel mit Nutzfahrzeugen. Der Kläger war Eigentümer einer 2.182 m² großen Gewerbefläche mit der Adresse A-Str. 195 in E, die er in 2008 für 180.000 € erworben hatte. Mit notariellem Kaufvertrag vom 16.05.2013 erwarb er eine angrenzende Teilfläche von 1.787 m² hinzu. Das Grundstück übertrug er am 09.11.2015 lastenfrei im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter A C. Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.07.2013 hatte der Kläger zudem unter der Adresse B-Str. 37 in E eine 8.532 m² große Gewerbeimmobilie für einen Kaufpreis von 1.100.000 € erworben. Dieses Grundstück übertrug er am 01.08.2016 ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an seine Tochter A C, behielt sich jedoch laut einem Vertrag vom 10.12.2016 ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.
Der Kläger gründete am 02.01.2014 als alleiniger Gesellschafter die C GmbH und wurde zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Unternehmensgegenstand der C GmbH war […]. Nachdem der Kläger das Gewerbe seines Einzelunternehmens zum 30.03.2014 abgemeldet hatte, führte die C GmbH den Betrieb des Nutzfahrzeughandels unverändert auf den Grundstücken des Klägers bzw. in den Räumlichkeiten des Klägers fort. Der Geschäftssitz der C GmbH befand sich auf dem Grundstück A-Str. 195 in E. Die C GmbH mietete ab dem 30.01.2014 das Grundstück vom Kläger. Das Mietverhältnis mit dem Kläger endete mit Übertragung des Grundstücks auf die Tochter des Klägers am 09.11.2015 und wurde mit dieser bis zum 30.10.2016 fortgesetzt. Am 01.11.2016 verlegte die C GmbH ihren Geschäftssitz an die Adresse B-Str. 37 in E. Die C GmbH hatte das entsprechende Grundstück, an dem der Kläger ein Nießbrauchsrecht besaß, angemietet. Die C GmbH wurde am 04.07.2017 aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation. Liquidator ist der Kläger. Am xx.12.2018 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C GmbH mangels Masse abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts E, Az. 000 IN 00/18).
Der Bruder des Klägers, der Zeuge B C, war bis November 2016 bei der C GmbH beschäftigt. Zum 01.12.2016 meldete er selbst ein gewerbliches Einzelunternehmen an, dessen Gegenstand der An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen ist und unter der Anschrift B-Str. 37 in E betrieben wird. Er erwarb mit Kaufvertrag vom 02.01.2017 den Warenbestand der C GmbH.
Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass der Kläger und die C GmbH in der Zeit vom 30.01.2014 bis zum 08.11.2015 und ab dem 01.11.2016 eine umsatzsteuerliche Organschaft mit dem Kläger als Organträger und die C GmbH als Organgesellschaft bildeten.
Der Kläger erklärte in seinen Umsatzsteuer-Jahresanmeldungen eine festzusetzende Umsatzsteuer von -506.904,48 € (2011), -439.492,21 € (2012), -253.301,68 € (2013) und -337.073,44 € (2014). Mit der erteilten Zustimmung des Beklagten standen die Steueranmeldungen jeweils einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nach der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2012 mit Bescheid vom 26.08.2013 auf -397.786,77 € fest. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 11.11.2013 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2012 auf ...