Entscheidungsstichwort (Thema)
Erzielung von Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit durch Verkauf unterschlagener Waren; gewinnmindernde Berücksichtigung von Schadensersatzverpflichtungen aufgrund eines Schuldanerkenntnisses; Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Steuerpflichtiger, der durch Untreuehandlungen gegenüber seinem früheren Arbeitgeber erlangte Waren an andere Firmen verkauft, erzielt mit den Verkaufserlösen Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit; die Gewinnerzielungsabsicht wird weder durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Erlöse unter dem Marktpreis liegen, noch dadurch, dass der Steuerpflichtige bei Entdeckung der Taten mit Schadensersatzforderungen seines früheren Arbeitgebers rechnen muss.
2) Im Rahmen des Betriebvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG sind Schadensersatzverpflichtungen des Steuerpflichtigen (hier: aufgrund eines Schuldanerkenntnisses) gegenüber seinem früheren Arbeitgeber in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres als Verbindlichkeiten anzusetzen, in dem der Steuerpflichtige mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, spätestens jedoch in der Bilanz des Jahres, in dem ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel gegen ihn vorliegt.
3) Für die Schadensersatzverpflichtung des Steuerpflichtigen gegenüber seinem früheren Arbeitgeber kann eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten bereits in dem Bilanzierungszeitraum gebildet werden, in dem die Ersatzansprüche aufgrund der Entdeckung der Straftaten konkretisierbar sind und der Arbeitgeber mit dem Verlangen nach einer Schuldurkunde gezeigt hat, dass er den Steuerpflichtigen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will.
4) Wird in dem Strafverfahren wegen Untreue und Urkundenfälschung die Schuldunfähigkeit des Steuerpflichtigen aufgrund eines Sachverständigengutachtens verneint, kann für den der Unterschlagung der Waren nachfolgenden Akt des Verkaufs auf "eigene" Rechnung und die Nichtdeklarierung der Einkünfte hieraus kein anderer Maßstab gelten.
Normenkette
AO 1977 § 169 Abs. 2 Sätze 1, 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1-2, 2 Nr. 1, § 173 Abs. 1, § 370 Abs. 1, 1 Nrn. 1-2; EStG §§ 10d, 15; GewStG §§ 10a, 14, 14a; HGB § 246 Abs. 1; AO 1977 § 169 Abs. 2
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Kläger durch den Verkauf von Fleischwölfen, die er durch Untreuehandlungen gegenüber seinem früheren Arbeitgeber erlangt hatte, gewerbliche Einkünfte erzielt hat und ob der Beklagte daher erstmalige Bescheide zu Gewerbesteuermeßbeträgen und Änderungsbescheide zu Einkommensteuerfestsetzungen erlassen durfte.
Der Kläger und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau hatten für die Streitjahre gemeinsame Einkommensteuererklärungen abgegeben, und zwar im Jahr 1990 für die Streitjahre 1988 und 1989 und im Jahre 1991 für das Streitjahr 1990. In diesen Einkommensteuererklärungen wurden ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt. Der Beklagte folgte diesen Angaben und setzte mit endgültigen Bescheiden, die in den Jahren 1990 und 1991 ergingen, die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. Gewerbesteuererklärungen wurden vom Kläger nicht abgegeben.
Durch eine Kontrollmitteilung und eine noch im Dezember 1996 begonnene Betriebsprüfung erhielt der Beklagte Kenntnis von folgendem Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Firma KGmbH (Firma) weitgehend selbständig als Exportsachbearbeiter für den Verkauf von Fleischwölfen ins Ausland zuständig. Spätestens seit Mitte der achtziger Jahre war er durch regelmäßigen, erheblichen Alkoholgenuß einer ständigen Alkoholabhängigkeit verfallen, die er allerdings vor seinem Arbeitgeber erfolgreich verbarg. Sein durch den Alkoholgenuß geprägter Lebensstil verschlang mehr Geld, als er zur Verfügung hatte. Der Kläger begann daher im Dezember 1986 damit, Fleischwölfe auf eigene Rechnung an Kunden der Firma zu veräußern. Er machte sich dabei seine weitgehend selbständige Stellung in der Firma zu Nutze. Spätestens im Herbst 1987 ging der Kläger dazu über, die seinem Arbeitgeber aus diesen Geschäften entstandenen Verluste – die Fleischwölfe stammten aus dem Warenbestand der Firma – nicht aus seinen eigenen Einkünften zurückzuzahlen, sondern diese mit Mitteln aus weiteren Schwarzverkäufen zurückzuführen.
Abnehmer für die Fleischwölfe waren die Firmen A aus Hamburg sowie H aus Frankfurt/Main und I aus Hamburg, deren Geschäftsführer der Kläger bei Messebesuchen kennengelernt hatte. Die von ihm verlangten Preise lagen zwischen 50 % und 60 % des regulären Marktpreises. Für die Lieferungen stellte er unter dem Namen der Firma Rechnungen aus. Die aus den ersten Schwarzverkäufen erzielten Einnahmen behielt der Kläger im wesentlichen für sich. Später ging er dazu über, einen nicht unbeträchtlichen Teil der durch die weiteren Verkäufe vereinnahmten Gelder zum Ausgleich bzw. zur Rückführung der durch die Vorgeschäfte in der Buchhaltung der Firma Krefft entstandenen Sollbestände für von ihm in dortigen Rechnungen angegebene Scheinkunden zu verwenden. Die auf diese Weise erzielten Verkaufserlö...