Keine Schätzungsbefugnis bei pauschaler Verbuchung der Entnahme von Non-Food-Artikeln
Blick in die aktuelle Rechtslage
Die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben werden auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Aufwendungen privater Haushalte für Nahrungsmittel und Getränke festgesetzt.
Sie beruhen auf Erfahrungswerten und bieten die Möglichkeit, die Warenentnahmen monatlich pauschal zu verbuchen. Sie entbinden damit von der Aufzeichnung einer Vielzahl von Einzelentnahmen. Es liegt damit eine Bewilligung von Aufzeichnungserleichterungen nach § 148 Satz 1 AO vor.
Offene Frage
Der BFH musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob durch die jährlich veröffentlichten Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben durch das BMF gesonderte Aufzeichnungen entbehrlich sind und ob die Pauschbeträge für den Gewerbezweig „Nahrungs- und Genussmittel“ in den Streitjahren 2015 bis 2017 auch die Werte von „Non-Food-Artikel“ umfassen.
Sachverhalt: Gewinnerhöhende Hinzuschätzung von Entnahmen von „Non-Food-Artikel“
Der der BFH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kl. war in den Streitjahren 2015 bis 2017 Inhaber zweier Supermarkt-Filialen in E.
- Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich.
- Das Warensortiment des Kl. umfasste neben Lebensmitteln und Getränken sowie Genussmitteln (etwa Tabakwaren) auch sog. Non-Food-Artikel, insbesondere Wasch- und Putzmittel, Hygiene- und Kosmetikprodukte, Bücher und Zeitschriften sowie Schreibwarenartikel.
- Die Non-Food-Artikel machten in den Streitjahren jeweils ca. 10 % des Gesamtwarensortiments der Supermärkte aus.
- Der Kl. tätigte in den Streitjahren – mit Ausnahme von Tabakwaren – Entnahmen aus dem gesamten Warensortiment.
- Gesonderte Aufzeichnungen über seine Warenentnahmen führte der Kl. nicht.
- Vielmehr berücksichtigte der Kl. im Rahmen seiner Gewinnermittlungen unter Anwendung des jeweils gültigen BMF-Schreibens betreffend die Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben Gewinnerhöhungen im Umfang der dort genannten Pauschbeträge für den Gewerbezweig „Nahrungs- und Genussmittel“.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, die Einordnung der Betriebe des Kl. in den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel sei nur bedingt erfüllt, da das Warensortiment in den Streitjahren auch Non-Food-Artikel umfasst habe. Die Pauschbeträge für Sachentnahmen und unentgeltliche Wertabgaben seien ausschließlich für die Sachentnahmen bzw. unentgeltlichen Wertabgaben von Nahrungsmitteln und Getränken anzuwenden. Deshalb sei der Pauschbetrag auf den Bereich Lebensmittel und Getränke beschränkt und beinhalte nicht zusätzlich das komplette Non-Food-Warenangebot eines Vollsortiment-Supermarkts. Diese seien zudem hinzuzurechnen.
FG Münster: Keine gesonderte Hinzurechnung der „Non-Food-Artikel“
Nach Auffassung des FG Münster (Urteil v. 29.4.2022, 10 K 1297/20 G,U,F) hat eine Hinzuschätzung im vorliegenden Fall zu unterbleiben, weil auch Entnahmen von „Non-Food-Artikel“ durch die vom BMF veröffentlichten Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben abgedeckt werden.
Entscheidung des BFH: Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen
Der BFH hat die vom Finanzamt geforderte Erhöhung der Sachentnahme abgelehnt. Dies wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:
- Im Entscheidungsfall dürfte keine Hinzuschätzung erfolgen, weil die Sachentnahmen pauschal gewinnerhöhend erfasst wurden.
- Bei Anwendung der vom BMF veröffentlichten Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben müssen keine zusätzlichen Entnahmeaufzeichnungen geführt werden.
Praxisfolgen
Die Gründe der Rezessionsentscheidung dürften in vergleichbaren Fällen ebenso zur Anwendung kommen. Allerdings gilt es zu beachten, dass für Non-Food-Artikel nach den geänderten BMF-Regelungen seit 2023 bestimmt wird, dass unentgeltliche Wertabgaben, die weder Nahrungsmittel noch Getränke sind, einzeln aufgezeichnet werden müssen (Rz. 34 mit Verweis auf die Anfügung von Satz 2 in der fünften Vorbemerkung des BMF, Schreiben v. 21.12.2022, BStBl I 2023, 52 und v. 12.2.2024, BStBl I 2024, 286).
BFH, Urteil v. 16.9.2024, III R 28/22; veröffentlicht am 28.11.2024
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