Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweise Aufrechnung von Kindergeldansprüchen, die auf Sozialleistungen anzurechnen sind
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine allgemeine Leistungsklage eines Kindergeldberechtigten, gerichtet auf die Abgabe einer Aufrechnungserklärung der Familienkasse wegen einer (hälftigen) Aufrechnung künftiger Kindergeldauszahlungen gegen einen bestehenden Rückforderungsanspruch der Familienkasse ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
2) Die Abgabe einer Aufrechnungserklärung ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts, dessen rechtsgeschäftliche Ausübung allein dem Ausübenden obliegt.
3) § 75 EStG lässt eine Aufrechnung der Familienkasse mit Ansprüchen auf Kindergeld ausnahmsweise bis zu deren Hälfte zu, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig i.S. der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder i.S. der Vorschriften des SGB II über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wird.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1 Alt. 4; AO § 218 Abs. 2, §§ 47, 226; BGB § 389; EStG § 75
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte in der Vergangenheit gem. § 75 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wirksam aufgerechnet hat bzw. zukünftig zu einer solchen Aufrechnung verpflichtet ist.
Die Klägerin bezog vom Jobcenter C. jedenfalls in dem Zeitraum von August 2017 bis einschließlich Juli 2019 ausschließlich Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 21.6.2018 die Kindergeldfestsetzung für den Sohn der Klägerin für den Zeitraum von August 2017 bis einschließlich Mai 2018 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von 1.930 € von der Klägerin zurück. Einen gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch verwarf die Beklagte als unzulässig.
Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten, dass diese die Rückforderung in Höhe von 1.930 € gegen den laufenden hälftigen, monatlichen Anspruch der Klägerin auf Auszahlung von Kindergeld aufrechne. Zudem teilte sie mit, dass sie ab dem Zeitraum von August 2017 an laufend Leistungen nach SGB II bezogen habe, auf die das bis einschließlich Mai 2018 ausgezahlte Kindergeld angerechnet worden sei.
Die Beklagte antwortete daraufhin schriftlich, dass sie die Aufrechnung künftig gemäß § 75 Abs. 1 EStG, erstmals ab Oktober 2018, vornehmen werde. Sie zahlte dementsprechend ab Oktober 2018 an die Klägerin lediglich ein monatliches Kindergeld in Höhe von 97 € aus.
Im Januar 2019 kontaktierte die zuständige Bearbeiterin des Jobcenters C. die Beklagte und wies daraufhin, dass gem. § 51 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Aufrechnungsverbot bestehe, da die Klägerin Leistungen nach SGB II beziehe. Sie bat die Beklagte daher um Rücknahme der Aufrechnung. Zudem teilte sie mit, dass die Bewilligung der Leistungen ab Februar 2019 anstehe und sie infolge einer Aufrechnung nur Kindergeld in Höhe von 97 € anrechnen könne, sodass im Ergebnis die Rückforderung der Beklagten mit Leistungen nach dem SGB II beglichen würde.
Daraufhin erließ die Beklagte am 23.1.2019 einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid, in welchem sie der Klägerin zunächst mitteilte, dass die Aufrechnung eingestellt worden sei und der bisher zu Unrecht einbehaltene Betrag in Höhe von 388 € an sie ausgezahlt werde. Zudem bezifferte die Beklagte in dem Bescheid die offene Restforderung mit 1.949 € und forderte die Klägerin zur Zahlung dieses Betrags auf. Erläuterungen dazu, wie die Beklagte die Restforderung in Höhe von 1.949 € ermittelt hatte, fehlten in dem Bescheid. Ein gegen diesen Bescheid eingelegter Einspruch blieb erfolglos.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 8.4.2019 hat die Klägerin am 8.5.2019 die vorliegende Klage erhoben.
Die Berichterstatterin des Senats hat zur Förderung des Verfahrens darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Bescheid vom 23.1.2019 um einen Abrechnungsbescheid i.S.v. § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) handeln dürfte, da die Beklagte in dem Bescheid verbindlich darüber entschieden habe, in welcher Höhe die Klägerin den festgesetzten Rückforderungsanspruch bezahlen müsse. Die Beklagte habe mit dem Bescheid insbesondere entschieden, dass der Rückforderungsanspruch trotz der von ihr erklärten Aufrechnung nicht erloschen sei. Allerdings sei dieser Bescheid formell rechtswidrig, weil nicht erkennbar sei, wie sich der Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.949 € zusammensetze. Der in dem Abrechnungsbescheid genannte Rückforderungsbetrag weiche von dem ursprünglich im Rückforderungsbescheid vom 21.6.2018 genannten Rückzahlungsbetrag in Höhe einer Differenz von 19 € ab, ohne dass diese in dem Bescheid erläutert werde.
Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 5.9.2019 den Abrechnungsbescheid vom 23.1.2019 auf und erließ schließlich am 12.2.2020 einen geänderten Abrechnungsbescheid, in welchem sie den Rückzahlungsbetrag nunmehr in Höhe des an die Klägerin ausgezahlten Kindergeldes in Höhe von 1.930 € bezifferte.
Die Klägerin is...