Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung; Befreiung von Umsätzen gem. § 4 Nr. 16 UStG aus Betrieb v. Einrichtungen zur Betreuung körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen; Begriff der Hilfsbedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Senats bereits aus dem Wortlaut, dass es sich bei dem Leistungsempfänger der von Einrichtungen gem. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a bis l UStG erbrachten Betreuungsleistungen um eine hilfsbedürftige Person handeln muss.
2. Soweit in Nr. 4 AEAO zu § 53 AO die persönliche Hilfsbedürftigkeit ab Vollendung des 75. Lebensjahres im Rahmen der Anerkennung als gemeinnützig ohne weitere Nachprüfung – aus Vereinfachungsgründen – angenommen wird, so ist diese Vorschrift nicht auf die Voraussetzungen der Hilfsbedürftigkeit i.S.d. § 4 Nr. 16 UStG übertragbar. Hilfsbedürftig i.d. Sinne sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes der Betreuung und Pflege bedürfen, weil sie krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind.
Normenkette
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, Art. 133-134; AO § 53; UStG § 4 Nr. 16
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist für das Jahr 2015, ob sämtliche von der Klägerin erbrachten Umsätze gem. § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerbefreit sind.
Die Klägerin betreibt in C das Unternehmen „X”.
Mit Bescheid vom 03.04.2014 erkannte die Bezirksregierung Düsseldorf die Tätigkeit der Klägerin „X / Abteilung Betreuung” gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 HBPfVO als niedrigschwelliges Hilfe- und Betreuungsangebot nach § 45 Buchst. b Abs. 1 S. 6 Nr. 4 SGB XI (a.F.) unbefristet an.
Die Klägerin schloss zudem Verträge über Haushaltshilfeleistungen gem. §§ 38, 24 Buchst. h und 132 SGB V mit dem Verband der Ersatzkassen, der AOK … sowie der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in NRW. Danach werden Leistungen für Haushaltshilfe vergütet, wenn wegen Krankenhausbehandlung, einer Leistung nach § 23 Abs. 2 oder 4, §§ 24, 37, 40 oder 41 SGB V, Schwangerschaft oder Entbindung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist.
Der Beklagte führte bei der Klägerin für den Zeitraum Juli 2015 bis August 2016 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (SP) durch, wegen deren Einzelheiten auf den Bericht vom 24.01.2017 Bezug genommen wird.
Während der Prüfung reichte die Klägerin am 14.09.2016 die Umsatzsteuererklärung für 2015 ein. Darin erklärte sie Lieferungen und sonstige Leistungen zu 19 % i.H.v. … Euro (netto), sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 Buchst. a UStG zu 19 % i.H.v. … € (netto), abziehbare Vorsteuerbetrage i.H.v. … € sowie steuerfreie Umsätze i.H.v. … €. Durch Zustimmung vom 11.10.2016 wurde die Steuer antragsmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf … € festgesetzt.
Im Rahmen der Prüfung stellte die Prüferin fest, dass sämtliche Haushaltshilfeleistungen – ungeachtet dessen, wem diese Leistungen gegenüber erbracht worden waren – ab Mitte 2015 insgesamt als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 16 UStG angemeldet worden waren.
In dem Bericht über die SP führte die Prüferin u.a. Folgendes aus:
„2.3.1 Niedrigschwellige Betreuungsangebote
Steuerfrei sind gem. § 4 Nr. 16g UStG die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als niedrigschwellige Betreuungsangebote nach § 45b des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind. Grundlage für die Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungsangebote ist in Nordrhein-Westfalen die „Verordnung über niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote für Pflegebedürftige” die sogenannte HBPfVO.
Das Dezernat 34, Fachbereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitische Förderprogramme, der Bezirksregierung Düsseldorf ist landesweit zuständig für die Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungsangebote. Mit Bescheid vom 03.04.2013 ist das Angebot „X / Abteilung Betreuung” gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 HBPfVO als niedrigschwelliges Hilfe- und Betreuungsangebot nach § 45b Abs. 1 S. 6 Nr. 4 SGB Xl unbefristet anerkannt.
Die Umsätze sind korrekt als steuerfrei behandelt worden.
2.3.2 Haushaltshilfe
Haushaltshilfeleistungen an hilfsbedürftige Personen und für Privathaushalte wurden insgesamt als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 16 UStG behandelt. § 4 Nr. 16 UStG begünstigt bestimmte Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen. Hilfsbedürftig sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind und deshalb der Betreuung oder Pflege bedürfen.
Objektive Voraussetzung der Steuerbefreiung ist eine körperliche, geistige oder seelische Hilfsbedürftigkeit. Der Empfänger der von Einrichtungen gem. § 4 Nr. 16 S. 1 Buchstabe a UStG erbrachten Betreuungs- oder Pflegeleistungen muss eine hilfsbedürftige Person sein, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen ode...