Entscheidungsstichwort (Thema)
Existenzieller Lebensbedarf eines behinderten Kindes - Anrechnung eigenen Vermögens
Leitsatz (redaktionell)
1) Der gesamte existenzielle Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Der Grundbedarf orientiert sich dabei am Existenzminimum eines Alleinstehenden. Der individuelle Mehrbedarf bemisst sich - sofern kein Einzelnachweis geführt wird - am Behindertenpauschbetrag.
2) Eigenes Vermögen des Kindes ist bei der Frage, ob das Kind außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 1, 1 Nr. 3, Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Kindergeld.
Der Kläger (Kl.) ist der Vater des am … November 1970 geborenen Kindes B. Nach dem Schwerbehindertenausweis vom 03. November 1990 ist das Kind zu 100 % schwerbehindert. In dem Ausweis sind die Merkzeichen G., RF und H. eingetragen. Ursache der Behinderung ist eine geistige Behinderung mit Verhaltensstörungen und cerebralem Anfallsleiden.
Mit Schreiben vom 05. November 1997 leitete der Beklagte (Bekl.) die Überprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ein und forderte den Kl. auf, einen Nachweis über Behinderung, Einkünfte, Bezüge und Vermögen des Kindes vorzulegen. Im Laufe dieses Verfahrens erklärte der Kl. schließlich am 13. März 2000, dass das Kind im Jahre 1996 einen Bruttoverdienst von 20.638,80 DM, im Jahre 1997 von 23.073,12 DM, im Jahre 1998 von 22.708,00 DM und im Jahre 1999 von 21.806,80 DM bezogen habe. Ferner legte er Zinsbescheinigungen vor, wonach das Kind im Jahr 1996 2.294,79 DM, 1997 1.598,52 DM, 1998 2.119,92 DM und 1999 2.227,59 DM Zinseinnahmen bezogen hat. Das Sparvermögen des Kindes, das mit einer Verfügungsbeschränkung zu Gunsten des Kl. versehen ist, belief sich am 31.12.1996 auf 45.896,20 DM, zum 31.12.1997 auf 47.494,72 DM, zum 31.12.1998 auf 49.614,64 DM und zum 31.12.1999 auf 52.329,44 DM. Weiterhin teilte der Kl. mit, dass der behinderungsbedingte Mehrbedarf nur sehr schwer nachgewiesen werden könne, dieser jedoch durch die Notwendigkeit der Betreuung und erhöhte Fahrtkosten entstünde. Nach vorangegangener Anhörung hob der Bekl. mit am 17. Juli 2000 abgesandten Bescheid die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind B. ab dem Jahr 1997 auf und forderte den Kl. auf, das in der Zeit von Januar 1997 bis November 1999 überzahlte Kindergeld i. H. v. 8.030,00 DM zu erstatten, weil die Einkünfte des Kindes erheblich über dem maßgeblichen Grenzbetrag liegen würden.
Mit dem fristgerecht eingelegten Einspruch begehrte der Kl. die Aufhebung des Bescheides und rügte, dass Abzüge für den Sonderausgabenpauschbetrag, die Vorsorgepauschale und den Sparerfreibetrag nicht berücksichtigt worden seien.
Den Einspruch wies der Bekl. mit Entscheidung vom 09.11.2000 zurück. Zur Begründung führte er aus: Von den Einkünften des Kindes könnten lediglich die Werbungskostenpauschale von 2.000,00 DM, die weitere Kostenpauschale von 360,00 DM und ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von 7.200,00 DM abzogen werden, da der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG entspreche. Die Zinseinkünfte seien zwar nach Abzug des Sparerfreibetrages nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen, müssten aber als Bezüge berücksichtigt werden. Nach dieser Berechnung ergebe sich für 1997 ein Einkommen von 15.011,64 DM, im Jahre 1998 von 15.267,92 DM und für 1999 von 14.974,39 DM. Ferner sei das Kind auch auf Grund des ihm übertragenen Vermögens in der Lage, sich selbst zu unterhalten, da es den Grenzbetrag von 30.000,00 DM deutlich übersteige.
Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage führt der Kl. ergänzend aus: Für das Kind sei ein Betreuungsbedarf von 3 Stunden pro Tag, die jeweils mit 15,00 DM pro Stunde zu bewerten seien, anzusetzen. Auch seien von den Einkünften des Kindes Fahrtkosten i. H. v. 1.560,00 DM in Abzug zu bringen. Außerdem dürfe das Vermögen des Kindes nicht berücksichtigt werden, da es zweckgebunden angelegt sei und der Versorgung des Kindes dienen solle, für den Fall, dass die Eltern nicht mehr in der Lage seien, es zu unterstützen.
Der Kl. beantragt,
den Bescheid der Bekl. vom 17. Juli 2000 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 09. November 2000 aufzuheben.
Die Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus: Dem Kl. sei zwar zuzubilligen, dass die Zinseinnahmen nicht als Bezüge berücksichtigt werden dürften. Dennoch überstiegen die Einnahmen des Kindes aber die maßgeblichen Freibeträge. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf sei bislang nicht glaubhaft gemacht, weil es an einem amtsärztlichen Attest mangele. Auch sei das Kind in der Lage, sich aus eigenem Vermögen zu unterhalten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ...