Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 4 AO aufgrund einer Betriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
Der Ablauf der Festsetzungsfrist kann gem. § 171 Abs. 4 AO auch dadurch gehemmt werden, dass der Steuerpflichtige gegen die rechtzeitig ergangene Außenprüfungsanordnung Einspruch eingelegt, Aussetzung der Vollziehung beantragt und einen oder mehrere Anträge auf eine Verschiebung des Beginns der Außenprüfung stellt und mit der Außenprüfung deshalb tatsächlich später begonnen wird.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) aufgrund einer steuerlichen Betriebsprüfung vorliegen.
Der Kläger ist freiberuflich tätiger …. Die Einkommensteuererklärung für die Streitjahre 1997 und 1998 gaben der Kläger und seine mit ihm steuerlich zusammenveranlagte Ehefrau am 04.01.1999 (1997) bzw. am 01.10.1999 (1998) beim beklagten Finanzamt ab. Die Umsatzsteuerjahreserklärungen für die vorgenannten Streitjahre reichte der Kläger zur selben Zeit ein.
Die Veranlagung zur Einkommensteuer für 1997 und 1998 erfolgte zunächst erklärungsgemäß. Sowohl die Steuerfestsetzungen vom 21.01.1999 und 20.10.1999 für das Streitjahr 1997 als auch diejenige für das Jahr 1998 (Bescheid vom 27.10.1999) ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Änderungen an den eingereichten Umsatzsteuererklärungen nahm der Beklagte ebenfalls nicht vor.
Mit Bescheid vom 19.07.2000 ordnete der Beklagte beim Kläger eine steuerliche Betriebsprüfung betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1997 bis 1999 gemäß § 193 Abs. 1 AO an. Die Prüfung sollte voraussichtlich am 28.08.2000 beginnen.
Der Kläger erhob gegen die Prüfungsanordnung am 16.08.2000 Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er berief sich auf die Unverhältnismäßigkeit einer erneuten Prüfung, da er bereits für die Jahre 1994 bis 1996 geprüft worden sei, allerdings nur einen steuerlichen Kleinbetrieb führe.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung mit Schreiben vom 24.08.2000 wegen fehlender Erfolgsaussichten des Einspruchs ab, kündigte aber gleichwohl einen Aufschub der Prüfung bis zum 25.09.2000 an.
Mit Schreiben vom 11.09.2000 wiederholte der Kläger seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Jener Antrag blieb formell unbeschieden.
Mit weiterem Schreiben vom 20.09.2000 widersprach der Kläger dem nunmehr für den 25.09.2000 vorgesehenen Prüfungsbeginn. Wörtlich führte er aus: „Solange keine Entscheidung zu dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und keine bindende gerichtliche Entscheidung vorliegt, kann dem vorgesehenen Beginn der Außenprüfung nicht gefolgt werden.” In einem Vermerk des Betriebsprüfers über ein Telefonat mit dem Kläger vom 18.09.2000 heißt es, er – der Kläger – wolle sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Beginn der Betriebsprüfung wehren.
Mit Bescheid vom 18.01.2001 wies der Beklagte – ohne dass die Prüfung wie vorgesehen bereits begonnen hatte – den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob gegen die Prüfungsanordnung am 19.02.2001 Klage zum Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 6 K 972/01 AO). Einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellte der Kläger nicht. Mit Schreiben vom 21.02.2001 setzte er den Beklagten über die von ihm erhobene Klage in Kenntnis und erläuterte hierzu, die Klage werde allein auf rechtliche Gründe gestützt. Es ginge ihm – dem Kläger – nicht um eine Vermeidung der steuerlichen Betriebsprüfung aus anderen Erwägungen heraus.
Das Klageverfahren blieb ebenso erfolglos wie die gegen das Urteil vom 18.02.2002 erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (Aktenzeichen IV B 67/02), die mit Beschluss vom 20.10.2003 – den Beteiligten zugestellt mit Schreiben vom 08.12.2003 – zurückgewiesen wurde.
Die Betriebsprüfung beim Kläger für die Streitjahre begann am 01.03.2004. In der Folgezeit kam der Kläger der Aufforderung des Prüfers, die steuerrelevanten Unterlagen für das Streitjahr 1997 vorzulegen, trotz Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld nicht nach. Der Kläger berief sich auf Festsetzungsverjährung. Diverse Rechtsbehelfe gegen die mehrfache Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld – u.a. bis zum Bundesfinanzhof – blieben ohne Erfolg. Nach Beendigung der Rechtsstreitigkeiten führte der Beklagte die Prüfung ab 18.09.2006 fort.
Die Betriebsprüfung führte in den Streitjahren zu steuerlichen Mehrergebnissen, die der Höhe nach zwischen den Beteiligten nicht streitig sind. Insofern wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 02.01.2007 verwiesen.
Mit Bescheiden vom jeweils 24.01.2007 (Umsatzsteuer 1997 und 1998), 02.02.2007 (Einkommensteuer 1997) und 20.02.2007 (Einkommensteuer 1998) änderte der Beklagte die bisherigen Steuerfestsetzungen und setzte hiermit die Feststellungen der Betriebsprüfung um.
Die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide, mit denen sich der Kläger auf...