Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht von Umsätzen einer Organgesellschaft nach Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

Umsätze, die nach Beendigung der Organschaft allein von der bisherigen Organgesellschaft ausgeführt worden sind, sind in vollem Umfang von dieser als leistendem Unternehmer zu versteuern. Bei zuvor vereinnahmten An- und Vorauszahlungen ist entsprechend die Umsatzsteuerschuld des Organträgers zu korrigieren.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2, 2 Nr. 2, § 13 Abs. 1, 1 Nrn. 1, 1 Buchst. a, a S. 4, Buchst. b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.06.2001; Aktenzeichen V R 68/00)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine ehemalige Organgesellschaft, die nach der Konkurseröffnung ein Bauvorhaben fertigstellt, das Gesamtentgelt oder nur die Differenz zu den vom Organträger vor Konkurseröffnung versteuerten Anzahlungen der Umsatzsteuer (USt) zu unterwerfen hat.

Der Kläger (Kl.) ist der Konkursverwalter der Baugesellschaft H. mit beschränkter Haftung (abgekürzt: GmbH), über deren Vermögen am 28.02.1995 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet wurde. Die Gemeinschuldnerin war bis zum 31.12.1994 Organgesellschaft des Einzelunternehmers … H. und danach der H. GmbH & Co. KG (abgekürzt: KG). Aufgrund des fortgeschrittenen Bauzustandes entschloß sich der Kl., das Bauvorhaben „…” in D. fertigzustellen. Die Auftraggeberin hatte zuvor in den Jahren 1993 und 1994 erhebliche Anzahlungen geleistet. Nach Fertigstellung und Abrechnung erhielt der Kl. eine Restzahlung in Höhe von 169.165,00 DM brutto (Bl. 54 USt-Akten-UA).

Im Anschluß an eine USt-Sonderprüfung für die Monate 3–5/1995 stellte sich der Beklagte (Bekl.) auf den Standpunkt, die Organschaft sei mit der Konkurseröffnung beendet worden. Infolgedessen habe die ehemalige Organgesellschaft nach der Fertigstellung der Baumaßnahme die gesamte Netto-Bausumme der USt zu unterwerfen, und es sei die Versteuerung der Anzahlungen beim Organträger rückgängig zu machen (vgl. Tz. 13 bis 17 des Berichts vom 17.01.1996 – Bl. 19/20 UA). Der Beklagte erließ am 05.03.1996 einen gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten USt-Vorauszahlungsbescheid für 5/1995, in dem das gesamte Nettoentgelt für das Bauvorhaben „…” der Besteuerung unterworfen wurde.

Dagegen erhob der Kl. Einspruch und führte zur Begründung aus, die Anzahlungen seien beim Organträger ordnungsgemäß nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Umsatzsteuergesetz (UStG) versteuert worden und daher bei der Endabrechnung der GmbH anzurechnen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (vgl. Entscheidung vom 01.08.1996 – Bl. 1 – 3 UA).

Dagegen richtet sich die Klage.

Der Kl., der beantragt hat, den im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Jahressteuerbescheid vom 03.04.1997 (Bl. 19/20 GA) gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (Bl. 21 GA), vertritt die Auffassung, er schulde nur die USt aus der Restzahlung von 169.165,00 DM. Die vom FA vorgenommene rechtliche Wertung sei rechtsdogmatisch verfehlt und mit dem Sinn und Zweck des Rechtsinstitutes der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nicht zu vereinbaren. Der Fall weise keine konkursrechtlichen Besonderheiten auf, weil die praktische Relevanz beispielsweise auch bei einem Wegfall der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft durch den Verkauf einer Organgesellschaft auftreten könnte. Der Bekl. gehe nicht auf das Spannungsverhältnis zwischen der Organschaft als reinem Innenverhältnis und dem gegenüber dem Leistungsempfänger nur durch die Organgesellschaft begründeten Leistungsaustausch ein. Die von der Organgesellschaft bewirkten Umsätze würden lediglich dem Organträger zugerechnet. Dies gelte selbstverständlich auch für Anzahlungen, deren Besteuerung die Organgesellschaft dadurch auslöse, daß sie den bürgerlich-rechtlichen Werklohnanspruch hat, die Anzahlungen in Rechnung stellt und vereinnahmt. Daher erscheine es systematisch geboten, nach Beendigung der Organschaft auf die Steuerschuld der vormaligen Organgesellschaft – entsprechend der zivilrechtlichen Schlußrechnung – die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 4 UStG angemeldete und abgeführte USt auf Anzahlungen anzurechnen (unter Bezug auf BFH in BStBl III 1966, 300). Desweiteren werde der Rechtsstandpunkt des Kl. durch Abschnitt 215 Abs. 2 Satz 6 Umsatzsteuer-Richtlinien untermauert. Die Auflösung einer Organschaft sei einer Gesamtrechtsnachfolge gleichzustellen. Durch die Anmeldung und Entrichtung der USt auf die Anzahlungen sei das Steuerschuldverhältnis im Sinne von § 13 Abs. 2 UStG insoweit jeweils erloschen. Vor dem Hintergrund der Mindest-Ist-Besteuerung sei es unangemessen, wenn im Falle der Beendigung der Organschaft die Vorschriften über die Mindest-Ist-Besteuerung durch Besonderheiten der umsatzsteuerlichen Organschaft überlagert würden. Die in § 2 Abs. 2 UStG genannte Rechtsfigur der Organschaft sei auf das teleologisch notwendige Maß zu reduzieren und habe hier hinter die Regelungen der Mindest-Ist-Besteuerung zurückzutreten.

Der Kl. beantragt,

unter Abänderung des Bescheides vom 03.04.1997 in...

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