Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte und Bezüge des Kindes, Beträge zur Mitversicherung in Familienversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1) In die Bemessungsgrundlage des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht einzubeziehen sind Beiträge, die von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Eltern nicht finanziell entlasten können. Dies gilt auch für Beträge, die für den Einbezug des Kindes in eine Familienversicherung angefallen sind.
2) Der Abzug der Versicherungsbeiträge erfolgt unabhängig vom Ansatz des Arbeitnehmerpauschbetrages sowie des Sparerpauschbetrages als "gesonderter Posten" von dem Gesamtbetrag der Einkünfte und Bezüge des Kindes.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 2
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2010.
Der Kläger bezog für seinen Sohn D, geboren am 04.05.1991, fortlaufend Kindergeld. D besuchte im Jahr 2010 das G-Gymnasium in E. Er erzielte Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit aus einem Nebenjob in Höhe von 160,– EUR und Einnahmen aus Kapitalvermögen (u.a. aus Aktienverkäufen und Dividendengutschriften) in Höhe von 9.265,49 EUR. Er war im Rahmen einer sog. Familienversicherung privat kranken- und pflegeversichert. Versicherungsnehmer war der Kläger. Für D sind – laut der Bestätigung der Union Krankenversicherungs-AG über die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähigen Beträge – im Jahr 2010 Beiträge in Höhe von 1.080,– EUR gezahlt worden.
Als Blatt 80 der Kindergeldakte ist eine Berechnung der Einkünfte und Bezüge für das Kalenderjahr 2010 abgeheftet. Danach ermittelte die Beklagte folgende dem (Jahres-)Grenzbetrag in Höhe von 8.004,– EUR gegenüberzustellende Einkünfte und Bezüge des Sohnes D:
Einnahmen § 19 EStG Werbungskosten (Arbeitnehmer-PB max.) = Einkünfte § 19
Einnahmen § 19 EStG |
160,00 EUR |
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Werbungskosten |
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(Arbeitnehmer-PB max.) |
160,00 EUR |
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= Einkünfte § 19 EStG |
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0,00 EUR |
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Einnahmen § 20 EStG |
9.265,49 EUR |
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Werbungskosten |
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(Sparer-Pauschbetrag) |
801,00 EUR |
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= Einkünfte § 20 EStG |
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8.464,49 EUR |
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Summe der Einkünfte |
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8.464,49 EUR |
Bezüge |
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0,00 EUR |
= Einkünfte und Bezüge |
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8.464,49 EUR |
Eine Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 20.02.2011 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für D für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2010 gemäß § 70 Abs. 4 EStG auf. Das Einkommen des Kindes überschreite nach den ihr vorliegenden Unterlagen für das Kalenderjahr 2010 den maßgeblichen Grenzbetrag in Höhe von 8.004,– EUR. Kindergeld sei aufgrund der Festsetzung für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2010 in Höhe von 2.208 EUR überzahlt worden. Dieser Betrag sei nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 24.02.2011 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, bei der Berechnung seien zu Unrecht die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.080,– EUR nicht berücksichtigt worden. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Kosten für die privaten Krankenversicherung des Sohnes könnten vorliegend nicht berücksichtigt werden. Versicherungsnehmer sei der Kläger. Dieser trage die Kosten der Versicherung, so dass eine Absetzung der Beiträge durch den Sohn nicht in Betracht komme.
Der Kläger hat Klage erhoben und trägt zur Begründung ergänzend vor: Die Versicherungsbeiträge seien mindernd zu berücksichtigen. Gründe für eine Differenzierung danach, ob das Kind selbst Versicherungsnehmer oder im Rahmen einer Familienversicherung mitversichert ist, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 18.04.2011 und den Bescheid vom 24.02.2011 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung von Kindergeld für den Sohn D für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt auf den Hinweis des Berichterstatters, dass die Revisionen in den beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig gewesenen Verfahren V R 44/11 und VI R 7/12, die die gleiche Rechtsfrage zum Gegenstand hatten, zurückgenommen worden seien, aus: Sie halte an ihrer bislang vertretenen Auffassung, dass Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung die Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mindern würden, wenn das Kind zwar versicherte Person, aber nicht selbst Versicherungsnehmer sei, im vorliegenden Verfahren nicht mehr fest. Ungeachtet dessen biete ihrer Ansicht nach die Klage aber – wie bereits in der Einspruchsentscheidung ausgeführt – auch unter Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung keine Aussicht auf Erfolg. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien bereits durch den berücksichtigten Arbeitnehmer-Pauschbetrag auf 0,– EUR reduziert. Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sei insoweit nur der Sparer-...