Entscheidungsstichwort (Thema)
Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von einer GmbH einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer überlassenen PKW trotz vertraglichen Nutzungsverbots; Bewertung der Privatnutzung als verdeckte Gewinnausschüttung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 33/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw unabhängig von einem mit der ebenfalls von ihm vertretenen Gesellschaft vereinbarten Nutzungsverbot auch für private Fahrten nutzt, da nicht zu erwarten ist, dass ein Verstoß gegen ein Privatnutzungsverbot aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes eine irgendwie geartete gesellschaftsrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Konsequenz nach sich ziehen würde (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.1.2008 I R 8/06, BStBl. II 2012, 260; FG Köln, Urteil vom 8.12.2022 13 K 1001/19, EFG 2023, 797).
2. Die private Nutzung eines Pkw durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer trotz Privatnutzungsverbots führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, die nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG), sondern im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nach Fremdvergleichsmaßstäben unter Berücksichtigung des gemeinen Wertes und damit eines angemessenen Gewinnaufschlags zu bewerten ist.
3. Die Privatnutzung eines Fahrzeugs im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung stellt auch aus Sicht der Gesellschaft keine betriebliche Nutzung i.S.v. § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG dar.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8 Abs. 2 S. 2, § 7g Abs. 5-6; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) aufgrund einer privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs durch ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer zu berücksichtigen war, sowie darüber, ob für das Kraftfahrzeug eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgenommen werden konnte.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Einziger Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der GmbH ist Herr A (A). Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers vom 00.00.2012 haben die GmbH und A unter § 5 Abs. 4 Folgendes vereinbart:
„… Der Geschäftsführer hat Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw nicht privat nutzen… Betriebs- und Unterhaltungskosten trägt die Gesellschaft…”
Die Klägerin hatte zunächst einen Firmenwagen der Marke B [gehobene Mittelklassefahrzeug] in ihrem Betriebsvermögen bilanziert. Ab Mai 2016 wurde dieser Firmenwagen durch ein Fahrzeug der Marke C [gehobene Mittelklassefahrzeug] ersetzt. Beide Firmenfahrzeuge wurden dem A von der GmbH zur Verfügung gestellt.
Im Privatvermögen des A befand sich bis Mai 2016 ein auf den A angemeldetes Fahrzeug der Marke D [Mittelklassefahrzeug]. Ab Mai 2016 wurde der D durch ein auf den Namen der Ehefrau des A angemeldetes Fahrzeug der Marke E [Mittelklassefahrzeug] ersetzt.
In ihrer beim Beklagten (dem Finanzamt (FA)) eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2016 erklärte die Klägerin einen Überschuss bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von … €. In ihrer Gewinnermittlung machte die GmbH für den neu angeschafften Pkw neben der Abschreibung gemäß § 7 Abs. 1 EStG zusätzlich eine Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 und 6 EStG in Höhe von 7.981,– € als Betriebsausgaben geltend. Einnahmen im Zusammenhang mit einer Privatnutzung der beiden Firmenfahrzeuge erfasste die Klägerin nicht.
Das FA erkannte die Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 und 6 EStG nicht an und begründete dies mit einem fehlenden Nachweis der Klägerin über die (fast) ausschließlich betriebliche Nutzung des neu angeschafften Fahrzeugs. Insbesondere habe die Klägerin kein Fahrtenbuch vorgelegt, welches den für diese Sonderabschreibung geforderten Nutzungsumfang belegen könnte. Des Weiteren nahm das FA für das neu angeschaffte Firmenfahrzeug eine private Mitnutzung durch den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer an und rechnete außerbilanziell eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von 4.000,– € dem zu versteuernden Einkommen der GmbH hinzu. Den Wert der vGA berechnete das FA dabei mittels der sog. 1%-Regelung.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ das FA unter dem 18.7.2018 einen Körperschaftsteuerbescheid für 2016, mit dem es die Körperschaftsteuer (KSt) 2016 auf … € festsetzte. Unter dem 27.7.2018 bzw. 17.8.2018 ergingen an die Klägerin zudem der Bescheid auf den 31.12.2016 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sowie der Gewerbesteuermessbescheid 2016.
Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich sowohl gegen die Nichtberücksichtigung der Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 und 6 EStG als auch gegen die außerbilanzielle...