Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 2 und § 3 Nr. 6 GrEStG; Interpolierende Betrachtungsweise der Befreiungsvorschriften
Leitsatz (redaktionell)
1.) Die infolge Vollziehung einer im Schenkungswege angeordneten Auflage erfolgende Übertragung eines Grundstücks auf einen Dritten - hier Bruder - ist trotz Schenkungsteuerpflicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
2.) Die Übertragung von Grundbesitz auf ein Geschwister ist nicht gemäß § 3 Nr. 6 GrESt von der Grunderwerbsteuer befreit. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Geschwister scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus.
3.) Die Grundstücksübertragung auf ein Geschwister ist nicht im Wege einer interpolierenden Betrachtungsweise der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften auf der Grundlage eines gesetzlich nicht normierten Befreiungstatbestand steuerfrei, wenn der hinzuzudenkende Zwischenerwerb über ein Elternteil als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO anzusehen wäre.
Normenkette
GrEStG § 3 Nr. 6; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 2; AO § 42; GrEStG § 3 Nr. 2
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine durch Auflage angeordnete und auch vollzogene Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern von der Grunderwerbsteuer (GrESt) befreit ist.
Der Kläger (Kl.) war zunächst zu ¼, später neben seinem Bruder zu ½ Eigentümer eines in C, A-Straße 272, belegenen Grundstücks. Die Mutter des Kl., ursprünglich selbst zu ½ Eigentümerin, behielt sich bei der Übertragung ihres Miteigentumsanteils an den Kl. sowie dessen Bruder im Jahr 2003 ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.
Mit Vertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 697/2005 des Notars N, C) erwarb der Kl. von seinem Bruder dessen hälftigen Miteigentumsanteil an dem oben genannten Grundstück. Die Übertragung erfolgte gegen Übernahme des zugunsten der Mutter vorbehaltenen Nießbrauchsrechts. Der anteilige Jahreswert des Nießbrauchsrechts wurde bestimmt auf EUR 11.400,–. Den Verkehrswert des hälftigen Miteigentumsanteils legten die Vertragsparteien mit EUR 200.000,– fest.
Die vorgenannte Übertragung beruhte auf Anordnung der Mutter des Kl. Denn ebenfalls mit Vertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 689/2005 des o.g. Notars) übertrug diese dem Bruder des Kl. unentgeltlich das in C, B-Straße 28, belegene Grundstück zu Alleineigentum. Der Wert des Objekts wurde mit EUR 400.000,– angegeben. Die Übertragung erfolgte u.a. unter der Auflage, dass der Bruder – zwecks Herstellung gleicher Verhältnisse im Rahmen der Vorwegnahme der Erbfolge – seinen Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz A-Straße 272 auf den Kl. übertragen werde (§ 2 Nr. 1 des Vertrags vom 15.12.2005, UR-Nr. 689/2005).
Mit Bescheid vom 5.1.2006 setzte der Beklagte (Bekl.) gegen den Kl. GrESt i.H.v. EUR 3.176,– fest. Als Wert der steuerpflichtigen Gegenleistung legte er den kapitalisierten Jahreswert der durch den Kl. übernommenen Nießbrauchsverpflichtung i.H.v. EUR 90.767,– zugrunde.
Mit dem Einspruch berief sich der Kl. auf die Steuerfreiheit der Grundstücksübertragung. Der Erwerb sei in Erfüllung einer von seiner Mutter angeordneten Auflage erfolgt. Die Vollziehung der Auflage sei gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) schenkungsteuerpflichtig. Aus diesem Grund sei die Grundstücksübertragung nach § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbefreit. Im Übrigen komme auch eine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 GrEStG – zumindest in analoger Anwendung der Vorschrift – in Betracht.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 15.3.2006 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Die GrESt sei unter Zugrundelegung der übernommenen Verpflichtung des Kl. zutreffend berechnet worden. Die vom Kl. benannten Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG seien nicht einschlägig.
Mit der daraufhin erhobenen Klage trägt der Kl. vor:
Selbst wenn die vorliegende Grundstücksübertragung nicht vom Gesetzeswortlaut einer Befreiungsvorschrift des GrEStG gedeckt sein sollte, ergebe sich eine Steuerbefreiung aus einer analogen Anwendung der in Betracht zu ziehenden Vorschriften. Durch die angeordnete Auflage zu seinen Gunsten werde verdeutlicht, dass seine Mutter über den dem Bruder gehörenden Miteigentumsanteil am Grundstück A-Straße verfügen wollte. Die Mutter habe das Grundstück B-Straße nur in Verbindung mit einer genau bestimmten Gegenleistung – nämlich der Grundstücksübertragung auf den Kl. – auf seinen Bruder übertragen wollen. Vor diesem Hintergrund könne der Gesamtvorgang auch betrachtet werden als ein Tausch-/Kaufvertrag der Grundstücke zwischen der Mutter und seinem Bruder einerseits sowie der sich hieran anschließenden Schenkung des Grundstücksanteils A-Straße von der Mutter an ihn, den Kl.
Zudem sei bei der Auslegung der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften zu beachten, dass sich aus der Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung ergeben könne, die zwar im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschrift allein nicht zum Ausdruck komme. Allerdings könne ...