Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Schätzungsbefugnis bei nicht ordnungsgemäßer Buchführung durch den Ansatz von Sicherheitszuschlägen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verwendung eines Excel-Dokuments für einen täglich durchgeführten Kassensturz führt nicht dazu, dass der Steuerpflichtige seine Kasseneinnahmen und -ausgaben nicht entsprechend einer ordnungsmäßigen Buchführung täglich festgehalten hat.
2. Bei Einsatz einer elektronischen Registrierkasse kann ein Festhalten der Kasseneinnahmen und -ausgaben auch durch eine geordnete Ablage der Belege erfolgen. Vom Steuerpflichtigen darüber hinaus erstellte überobligatorische Kassenberichte in Form eines Excel-Dokuments stehen einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht entgegen.
3. Wenn und soweit ein Gastwirt im Rahmen von Sonderveranstaltungen offene Ladenkassen eingesetzt und keine täglichen Kassenberichte auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt hat, liegt keine ordnungsmäßige Buchführung vor.
Normenkette
AO §§ 158, 162; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO § 146
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2011 bis 2013.
Die Kläger sind verheiratet und werden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist Gewerbetreibende. Sie betreibt einen Irish Pub, den X mit Getränke- und Speisenangebot. Die Gewinnermittlung erfolgte in den Streitjahren durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes, EStG). Außerdem erzielten die Kläger in den Streitjahren jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin hatte in den Streitjahren durchschnittliche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. H. v. rd. 37.800 € p. a. (Arbeitsstätte: Y, F). Der Kläger ist im Betrieb der Klägerin angestellt und bezog hieraus in den Streitjahren durchschnittliche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. H. v. rd. 9.400 € p.a. Die gemeinsame Tochter der Klägerin ist ebenfalls in dem Gewerbebetrieb der Klägerin angestellt.
Die Klägerin setzte in ihrem Betrieb eine Kasse der Serie „Inka” des Herstellers Indatec ein (Modell 200). Die Einnahmen aus dem regulären Betrieb dokumentierte sie täglich anhand von Tagesendsummenbons (Z-Bons). Da diese Bons den Zahlungsweg (bar oder EC-Kartenzahlung) nicht auswiesen, fügte sie den Z-Bons die Händlerbelege für die unbaren EC-Kartenzahlungen bei. Außerdem fügte sie diesen Dokumenten Belege über Kassenausgaben bei, die an dem jeweiligen Tag angefallen waren. Neben dieser Belegablage übertrug die Klägerin die auf den Z-Bons ausgewiesenen Einnahmen täglich – unter Ergänzung von Ausgaben und Bankeinzahlungen – in ein Excel-Dokument, das den (Kassen-)Bestand selbstrechnend auswies. Auf diese Weise glich die Klägerin täglich den Soll- mit dem Ist-Bestand der Kasse ab (Kassensturz). Über die tägliche Ablage der Belege und die tägliche Erstellung des Excel-Dokuments hinausgehende Kassenberichte in Form eines (handschriftlichen) Kassenbuchs führte die Klägerin nicht.
In den Streitjahren veräußerte die Klägerin unnummerierte Gutscheine. Sie dokumentierte den Verkauf nicht einzeln. Die Erlöse aus dem Verkauf bonierte sie regelmäßig unter der Warengruppe Küche ein. Bei Einlösung der Gutscheine minderte sie die Betriebseinnahmen um den ausgewiesenen Betrag.
Neben dem regulären Betrieb erzielte die Klägerin auch Erlöse aus Sonderveranstaltungen. Sie vereinnahmte Eintritt für Musikveranstaltungen im Ladenlokal und Erlöse aus einer „Außentheke” bei verschiedenen Veranstaltungen. Außerdem nahm sie – unabhängig vom Ladenlokal – an weiteren Veranstaltungen teil, auf denen sie Getränke und Speisen anbot. Die Klägerin nutzte bei sämtlichen Sonderveranstaltungen offene Ladenkassen und bei einigen jährlich durchgeführten umfangreicheren Sonderveranstaltungen „xyz”, „zyx”) zusätzlich geliehene elektronische Registrierkassen. Die offenen Ladenkassen wurden täglich ausgezählt. Das Ergebnis der Auszählung hielt die Klägerin handschriftlich fest. Die Z-Bons der teilweise eingesetzten elektronischen Registrierkassen liegen vor. Die Summe der Einnahmen aus diesen Sonderveranstaltungen trug die Klägerin in einer Summe in das für die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben geführte Excel-Dokument ein. Hinsichtlich der offenen Ladenkassen erstellte die Klägerin keine darüber hinausgehenden Kassenberichte. Die für die Sonderveranstaltungen bestellten und nicht verbrauchten Getränke gab sie zum Teil an den Getränkelieferanten zurück und zum Teil verbrachte sie sie in den Pub, wo sie die Getränke im regulären Gaststättenbetrieb veräußerte.
Die Klägerin erklärte für ihren Gewerbebetrieb die folgenden Besteuerungsgrundlagen:
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2011 |
2012 |
2013 |
ESt/GewSt |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb |
- 6.480 € |
32 €/30 € |
- 12.063 €/- 12.064 € |
USt |
Lieferungen und sonstige Leistungen zu 19 % |
317.396 € |
337.469 € |
322.911 € |
Weiter reichte sie Jahresabschlüsse einschließlich Kontennachweise ein. Aus diesen geht hervor, dass sich die Ums...