Entscheidungsstichwort (Thema)
Trainee-Programm bei einem Verlag Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine praktische Tätigkeit, die ausbildungswillige Kinder vor Annahme einer vollbezahlten Beschäftigung gegen geringe Entlohnung absolvieren, z.B. ein Volontariat, ist grundsätzlich als Berufsausbildung anzuerkennen.
2) Absolviert ein Kind nach Abschluss eines Hochschulstudiums in den Fächern Germanistik, Anglistik und Wirtschaftswissenschaft bei einem Verlag gegen geringe Entlohnung ein Trainee-Programm, bei dem das Kind alle, den angestrebten Beruf berührende Sachbereiche durchläuft, liegt eine Berufsausbildung vor.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob eine Anstellung als Trainee bei einem Verlag zur Berufsausbildung gehört.
Die Klägerin bezog laufend Kindergeld für ihre am 31.10.1981 geborene Tochter L. L beendete im Januar 2007 ihr Hochschulstudium an der Universität I mit der Magisterprüfung. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Wirtschaftswissenschaft. Berufsziel war eine Tätigkeit im Bereich Presse, Public Relations oder Marketing. Aus diesem Grunde absolvierte sie bereits studienbegleitend Praktika in Kommunikationsund Presse- sowie Öffentlichkeitsabteilungen der RWE und der IHK I.
Zum 15.06.2007 schloss sie einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag als Trainee im Bereich Marketing mit dem U-Verlag in O. Vorgeschaltet war ein 14-tägiges Praktikum. Die Jahresbruttovergütung belief sich auf 7.800,– EUR. Ab dem 01.07.2008 sollte die Tochter der Klägerin hier unbefristet im Bereich Marketing/Vertrieb als Marketingassistentin beschäftigt werden. Die im Rahmen der Festanstellung vereinbarte Jahresbruttovergütung betrug 21.600,– EUR.
Die Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung für L zunächst mit Bescheid vom 10.07.2007 ab Januar 2007, geändert mit Bescheid vom 28.08.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2007 ab Februar 2007 auf. Zur Begründung ist ausgeführt, dass mit Ablegen der Prüfung am 06.12.2006 und Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse am 03.01.2007 die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ab Februar 2007 nicht mehr vorlägen. Die Tochter habe sich auch nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden, da die Trainee-Tätigkeit keine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes darstelle.
Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der die Klägerin ergänzend vorträgt, dass nach dem Abschluss eines Hochschulstudiums gerade im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit das Absolvieren eines Volontariats, eines Praktikums oder einer Trainee-Ausbildung zur Berufsausbildung gehörten. Die Anstellung als Trainee diene dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten in dem angestrebten Beruf. Dies gelte insbesondere für Seiteneinsteiger, die nicht Journalismus bzw. PR-Management studiert, sondern ein anderes wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert hätten. Für diese Bewerber bestehe im Volontariat bzw. in der Traineezeit erstmals Gelegenheit zum Erwerb der für diesen Bereich erforderlichen Fähigkeiten und Techniken. Im „Berufnet” der Agentur für Arbeit werde das Volontariat ganz selbstverständlich als „Ausbildung” aufgeführt. Auch in den Internet-Informationen der Agentur werde zum Thema Kindergeld für Kinder in der Ausbildung das Volontariat ausdrücklich erwähnt.
Im Trainee-Programm stünden auch nicht lediglich die Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten, allgemeiner Lebenserfahrungen oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund. Insbesondere handele es sich nicht um eine „freie Selbstausbildung”. Im Rahmen des Trainee-Programms würden für den Public Relations- und Marketingbereich spezifische Fähigkeiten und Techniken vermittelt. Hierbei handele es sich zum Großteil um Stoff, der nicht Gegenstand des Studiums, aber Voraussetzung für eine Festanstellung in diesem Bereich sei. Im Fall der Tochter der Klägerin handele es sich vor allem um die Bereiche kaufmännische Grundlagen im Verlagswesen, Entwicklung von Marketingkonzepten (Kommunikation, Distribution), Organisation und Durchführung von „Events”, Produktionsabläufe im Verlag, Qualitätskontrollen, strategische Kooperationsentwicklungen und „Advertising”. Im Übrigen habe die Tochter der Klägerin eine Vergütung erhalten, die der einer Auszubildenden vergleichbar sei. Für vergleichbare praktische Ausbildungsverhältnisse (Referendare, Beamtenanwärter, Lehrlinge etc.) stelle die Rechtsprechung darauf ab, dass die dort gezahlten Ausbildungsvergütungen ihrer Funktion nach nicht den Lebensunterhalt sicherstellten. Die an die Tochter der Klägerin gezahlte Jahresvergütung habe während der Traineezeit deutlich unter der „Unterhaltsbeihilfe” für Referendare gelegen. So habe das Finanzgericht Niedersachsen in seinem Urteil vom 21.04.1999 II 684/97 Ki, EFG 1999, 901 ein auf 15 Monate befristetes Redaktionsvolontariat bei...