Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrang des spanischen Kindergeldanspruchs der Mutter für die bei ihr lebenden Kinder gegenüber den Kindergeldansprüchen des in Deutschland arbeitenden Vaters

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Vater hat bezüglich seiner bei der berufstätigen Mutter in Spanien lebenden Kinder nur einen Anspruch auf Differenzkindergeld. Dieser Anspruch ist nicht durch § 64 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgeschlossen.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 1 S. 2; VO EG Nr. 883/2004 Art. 67; VO EG Nr. 883/1004 Art. 68 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. i); EStG § 64 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld für die in Spanien bei der Mutter lebenden Kinder des Klägers.

Der Kläger ist Vater der vier Kinder B. (geb. xx.yy.1996), C. (geb. xx.yy.1999), E. (geb. xx.yy.2002) und G. (geb. xx.yy.2003). Er ist seit dem 1.3.2010 als Mitarbeiter am AInstitut in C-Stadt/Deutschland beschäftigt. Die beiden Söhne leben seit 2004 bei ihrer Mutter in Spanien, die dort erwerbstätig ist, während die Töchter beim Kläger in L-Stadt/Deutschland wohnen.

Die Beklagte lehnte den Kindergeldantrag des Klägers für alle vier Kinder zunächst mit der Begründung ab, dass die Kindsmutter aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in Spanien den vorrangigen Kindergeldanspruch habe. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück und forderte den Kläger zugleich auf, einen Antrag auf Zahlung des Differenzkindergeldes zu stellen.

Diesen Antrag stellte der Kläger für alle vier Kinder ab März 2010. Für die beiden Töchter B. und C. zahlte die Beklagte daraufhin Kindergeld rückwirkend ab März 2010 in Höhe von jeweils 184,– EUR monatlich an den Kläger aus.

Für die beiden Söhne E. und G. setzte die Beklagte Kindergeld für die Monate März und April 2010 in Höhe von monatlich 190,– EUR bzw. 215,– EUR abzüglich des spanischen Kindergeldes in Höhe von 24,25 EUR pro Monat und Kind fest. Dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt 713,– EUR.

Mit weiterem Bescheid lehnte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für E. und G. ab Mai 2010 ab. Zur Begründung gab sie an, dass der Kindergeldanspruch des Klägers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen sei, da die Mutter die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen habe.

Den gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Einspruch begründete der Kläger damit, dass die Kindsmutter in Deutschland keinen Kindergeldanspruch habe, weil sie in Spanien lebe. Die Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der spanische Kindergeldanspruch sei ab Mai 2010 gemäß Art. 67, 68 Abs. 1 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung EG Nr. 883/2004 vorrangig, da die Kinder in Spanien leben. Für die Zahlung des Differenzbetrages sei die Haushaltsaufnahme (§ 64 Abs. 2 EStG) maßgeblich.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage beruft sich der Kläger im Wesentlichen auf die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13.12.2011 und der Einspruchsentscheidung vom 23.2.2012 zu verpflichten, ab Mai 2010 Kindergeld für E. in Höhe von 190,– EUR und für G. in Höhe von 215,– EUR monatlich,

hilfsweise, ab Mai 2010 das Kindergeld für E. in Höhe von 160,75 EUR und für G. in Höhe von 190,75 EUR monatlich festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).

Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), soweit die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem deutschen und dem spanischen Kindergeld abgelehnt hat. Darüber hinaus ist die Ablehnung zutreffend erfolgt, da der Kläger keinen Anspruch auf das volle Kindergeld für seine beiden Söhne hat.

1. Dem Kläger steht für seine minderjährigen Kinder E. und G. gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG Kindergeld zu, weil er seinen Wohnsitz im Inland hat. Dass die Kinder ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben, steht dem Anspruch nicht entgegen, weil sie in Spanien und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union leben (Art. 67 der Verordnung EG Nr. 883/2004; vgl. auch § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).

2. Der Kläger hat jedoch keinen vollen inländischen Kindergeldanspruch, da der spanische Kindergeldanspruch der Kindsmutter vorrangig ist.

a. Dies folgt daraus, dass sowohl der Anspruch des Klägers als auch derjenige der Kindsmutter durch eine Beschäftigung ausgelöst werden und die Kinder in Spanien wohnen (Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung EG Nr. 883/2004).

Maßgeblich für die Frage, wodurch die Ansprüche ausgelöst werden, ist nicht, was die anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften als Anspruchsvoraussetzungen bestimmen. Vielm...

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