Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung eines Pick-up-Fahrzeuges mit Doppelkabine ab 1. Mai 2005 nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO
Leitsatz (redaktionell)
Ein verkehrsrechtlich als Lkw eingestuftes Pick-up-Fahrzeug mit Doppelkabine (hier: Nissan D 22) ist nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO - unabhängig von seinem zulässigen Gesamtgewicht - als „anderes Fahrzeug“ im Sinne des § 8 Nr. 2 KraftStG nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht zu besteuern. Dies folgt aus dem verbindlich anzuwendenden europäischen Gemeinschaftsrecht, hier der Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 in der Fassung der Richtlinie 2001/116/EG vom 20. Dezember 2001.
Normenkette
KraftStG § 2 Abs. 2, § 8 Nr. 2; StVZO § 23 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 25.07.2005.
Die Antragstellerin ist seit Juli 2005 Halterin des streitgegenständlichen Nissan D 22 , eines Pick-up-Fahrzeugs mit Doppelkabine, mit dem amtlichen Kennzeichen XXX . Aus Fahrzeugbrief und -schein ergeben sich die verkehrsrechtliche Fahrzeugart "Lkw offener Kasten", verbunden mit der (Lkw-)Schadstoffschlüsselnummer 53 (Ziffer 1, Stellen 5 und 6), und u.a. folgende weitere Daten: Erstzulassung 06.04.2001, Dieselmotor, Hubraum 2494 cm, zulässiges Gesamtgewicht 2850 kg, 5 Sitzplätze.
In Kenntnis dieser Daten erließ das Finanzamt am 25.07.2005 einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid, in dem das Fahrzeug der Antragstellerin als Pkw nach dem Hubraum besteuert und für die Zeit ab 05.07.2005 eine Jahressteuer in Höhe von 683,- € festgesetzt wurde. Unter "Grundlagen der Festsetzung" finden sich in dem Bescheid u. a. folgende Angaben:
" Fahrzeugart Personenkraftwagen, Hubraum 2494 cm, Antriebsart Diesel, Emissionsschlüssel 29"
Unter "Erläuterungen" heißt es:
" Die Besteuerungsgrundlagen für Ihr Fahrzeug haben sich infolge der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO zum 01.05.2005 geändert. Die Besteuerung von Fahrzeugen richtet sich ab diesem Stichtag ausschließlich nach den objektiven Beschaffenheitskriterien, insbesondere nach Bauart, Einrichtung und dem äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs. Diese Kriterien führen bei zur Personenbeförderung konzipierten Fahrzeugen (z. B. Geländewagen, Großraumlimousinen, Kleinbusse, Pick-ups) zur Versteuerung nach dem Hubraum und dem Emissionsverhalten."
Die Antragstellerin legte gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 25.07.2005 Einspruch ein, über den bislang - wegen Ruhens des Verfahrens im Hinblick auf ein beim Finanzgericht Köln anhängiges Musterverfahren - nicht entschieden ist. Der von ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.12.2005 gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom Finanzamt mit Schreiben vom 06.12.2005 abgelehnt.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.12.2005, präzisiert mit Schreiben vom 01.03.2006, hat die Antragstellerin beantrag t, den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 25.07.2005 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als die festgesetzte Steuer höher ist als die (Lkw-)Steuer nach dem zulässigen Gesamtgewicht.
Das Finanzamt hat die Ablehnung des Antrags beantragt .
Nach Aufhebung der Vorschrift § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung -StVZO- seien Pick-up-Fahrzeuge mit Doppelkabine und einem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2.800 kg ab 01.05.2005 wie entsprechende Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2.800 kg als Pkw zu besteuern, wenn die zur Personenbeförderung dienende Fläche größer sei als die Ladefläche. Dies sei bei dem Fahrzeug der Antragstellerin der Fall.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 25.07.2005 ist begründet .
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Hiervon ist im Streitfall auszugehen.
Der Pick-up der Antragstellerin ist nach den geltenden EU-Richtlinien ein "anderes Fahrzeug" m Sinne von § 8 Nr. 2 KraftStG und folglich - wie schon bisher - nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gewicht zu besteuern. Die Rechtsansicht der Behörde, die Besteuerung des Fahrzeugs der Antragstellerin richte sich ab 01.05.2005 - nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO - nach dem Verhältnis zwischen der zur Personenbeförderung dienende Fläche und der Ladefläche ist unzutreffend. Sie widerspricht nicht nur dem allgemeinen Verfassungsgrundsatz des Vorrangs von Gesetzen, sondern auch - aufgrund der zwingenden Anordnung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG - der Bindung an die verkehrsrechtlichen Vorschriften (vgl. FG Köln, Beschluss vom 28. November 2005 6 V 3715/05, Juris-Dok.-Nr. STRE200571803).
1.1 Im Gegensatz zum früheren § 10 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1972 enthält das geltende Kraftfahrzeugsteuergesetz keine eigenständige Bestimmung der Begriffe "Pkw" und "Lkw" . ...