rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags auf Aufhebung der Vollziehung. Zu den Voraussetzungen der Glaubhaftmachung der Kleinunternehmerschaft im Antragsverfahren. u den Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Ponyhofes
Leitsatz (amtlich)
zu 1. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung eines Umsatzsteuerbescheides mit positiver Zahllast erfordert das Begehren auf Herabsetzung der Umsatzsteuerschuld ggf. bis auf 0 €.
zu 2. Der Umfang steuerpflichtiger und möglicher steuerfreier Umsätze ist anhand von Aufzeichnungen soweit glaubhaft zu machen, dass die Anwendung der Kleinunternehmerregelung als wahrscheinlich erscheint.
zu 3. Auch im summarischen Antragsverfahren gelten die Regelungen der Beweislast. Beruft sich der Steuerpflichtige auf umsatzsteuerliche Befreiungsvorschriften, so hat er im Antragsverfahren die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3. S. 3; UStG §§ 4, 19, 22
Tatbestand
Im Hauptsacheverfahren ist streitig, ob die von der Antragstellerin (Ast) auf ihrem Ponyhof angebotenen Leistungen als von der Umsatzsteuer befreite Umsätze zu beurteilen sind.
Die Ast, ausgebildete Erzieherin, unterhielt auf einem Hofgrundstück (ca. 1,5 ha) etwa 30 Pferde und Ponys verschiedener Rassen, daneben weitere Tiere wie Schafe, Zwergziegen, Hasen und andere Kleintiere. Das Anwesen umfasst Stallungen, Scheunen, Koppel, Reitplatz etc. Mit ihrem Unternehmen hatte sie bereits im Jahre 1997 begonnen. Ein Gewerbe für pädagogisch-therapeutisches Reiten sowie An- und Verkauf von Pferdezubehör meldete sie zum 02.01.2001 an. Sie bot Kindern und Jugendlichen stunden- und tageweise Betreuung auf ihrem Hof an, zudem Erwachsenen auch Reitmöglichkeiten. In einem Werbeprospekt sind u.a. folgende Angebote aufgelistet:
Reitunterricht von 6-99 Jahren, geführte Ausritte in kleinen Gruppen, Einzelunterricht im Westernreiten, Kleinkindergruppen mit moto-pädagogischem Schwerpunkt, Physiotherapie auf dem Pferd, integratives und heilpädagogisches Reiten, Ferienreitkurse für Kinder, Kindergeburtstage und Ähnliches.
Die Leistungen wurden im Wesentlichen von einer Sozial- und Reitpädagogin, einer Erzieherin und der Ast selbst erbracht. Für die Betreuung von Kindern schloss die Ast im Streitjahr mündliche Vereinbarungen ab, nach denen pauschale Monatsbeiträge in Höhe von 60 € bzw. 65 € zu zahlen waren. Schriftliche Verträge wurden erst in späteren Zeiträumen geschlossen.
Aus dem Unternehmen erwirtschaftete die Ast bisher nur Verluste. In ihren Steuererklärungen bezeichnete sie ihr Unternehmen als Reitbetrieb bzw. als therapeutisches pädagogisches Reiten. Als Betriebseinnahmen benannte sie Reitstundenerlöse. Für die Umsatzsteuer nahm sie zunächst die Kleinunternehmerregelung in Anspruch, in den Jahren 2005 und 2006 versteuerte sie die Umsätze mit dem Normalsteuersatz. Für das Jahr 2007 reichte sie keine Umsatzsteuererklärung ein, weil sie der Auffassung war, sämtliche von ihr erbrachten Leistungen in Höhe von 120.439 € stellten von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlungen dar. Dem folgte das Finanzamt aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht, sondern setzte für alle Umsätze die Umsatzsteuer nach dem Normalsteuersatz fest. Einem Änderungsantrag gab das Finanzamt nicht statt, der Einspruch blieb ohne Erfolg, über die Klage hat das Finanzgericht noch nicht entschieden (Az. 2 K 534/11).
Auch für das Streitjahr 2008 gab die Ast zunächst keine Umsatzsteuererklärung ab, worauf das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung ermittelte und mit dem Bescheid vom 12.07.2010 die Umsatzsteuer in Höhe von 13.073,39 € festsetzte. Gegen den Schätzungsbescheid legte die Ast fristgerecht Einspruch ein und beantragte unter Verweis auf die Begründung im Verfahren wegen Umsatzsteuer 2007, ihre Umsätze als steuerfrei zu behandeln. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens reichte sie die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2008 ein, in der sie Umsätze zum Normalsteuersatz in Höhe von 131.287 € erklärte. Mit dem Änderungsbescheid vom 25.08.2010 setzte das Finanzamt der Erklärung folgend die Umsatzsteuer auf 6.011,90 € herab. Die noch offene Umsatzsteuerschuld in Höhe von 5.352,73 € bezahlte die Ast am 02.09.2010. Da die Ast ihren Einspruch weiter verfolgte, wurde der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Den Einspruch wies das Finanzamt in der Entscheidung vom 28.03.2011 als unbegründet zurück. Über die fristgerecht erhobene Klage hat das Gericht bisher noch nicht entschieden (Az. 2 K 534/11).
Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Schätzungsbescheides vom 12.07.2010 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 20.07.2010 ab, den Einspruch hiergegen wies es mit der Entscheidung vom 28.03.2011 als unbegründet unter Verweis auf die am selben Tag ergangene Einspruchsentscheidung im Hauptsacheverfahren ab.
Die Ast beantragt nun bei Gericht die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzs...