Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung von Optionsgeschäften, die im Zusammenhang mit Aktiengeschäften stehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich werden Optionsgeschäfte, in denen ein Optionsnehmer das Recht erhält, einen Verkauf der Aktien an sich selbst („Call”) bzw. einen Ankauf der Aktien durch den Vertragspartner („Put”) zu verlangen, getrennt beurteilt von dem zugrundeliegenden Basisgeschäft. Dies gilt unabhängig davon, ob die Lieferung des Basiswerts oder die Zahlung eines Barausgleichs vereinbart ist. So trennt der Bundesfinanzhof im Grundsatz zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (BFH-Urteile vom 17.04.2007 IX R 40/06, BStBl II 2007, 608; vom 24.06.2003 IX R 2/02, BStBl II 2003, 752). Bei der Einkommensbesteuerung führt dies dazu, dass Verluste aus dem Basisgeschäft nicht mit vereinnahmten Stillhalterprämien (bei § 22 Nr. 3 EStG) verrechnet werden können.
2. Der Sonderfall, wonach von Anfang an der Verkauf durch den Erwerber bzw. der Ankauf durch die Bank beabsichtigt und keine Vereinbarung ohne die andere denkbar war, zwingt dazu, die Optionsprämie als Einnahmen aus der Veräußerung zu behandeln. Sie ist Teil des Veräußerungspreises. Diese steuerrechtliche Berücksichtigung bei dem Veräußerungspreis der ca. einen Monat später durchgeführten Veräußerungsvorgänge für Zwecke des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG stimmt zeitlich mit der bilanzrechtlichen Beurteilung überein, dass die Optionsprämie erst bei Ausübung der Option und somit zum Zeitpunkt der Rückveräußerung der Aktien erfolgswirksam in der Bilanz zu erfassen ist.
Normenkette
KStG § 8b Abs. 3 S. 3, Abs. 2 S. 2; EStG § 22 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Optionsgeschäften, die im Zusammenhang mit Aktiengeschäften stehen.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in A-Stadt. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von u.a. Maschinen.
Nach Eingang der Steuererklärungen erließ das Finanzamt am 18.09.2006 den Körperschaftsteuerbescheid 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO.
In der Zeit vom 09.10.2007 bis 28.08.2008 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 statt. Die Betriebsprüfung traf dabei u.a. eine Feststellung zu Aktienan- und verkäufen betreffend zwei Aktiengesellschaften und jeweils zwei dazugehörigen Optionsgeschäften (vgl. Anlage 10 zum Außenprüfungsbericht vom 06.11.2008). Im Einzelnen handelte es sich um folgende Transaktionen, die in gleicher Art und Weise durchgeführt wurden:
Die Klägerin erwarb die Aktien von der Bank 1 :
Am 04.05.2005 erwarb sie Aktien der X im Wert von 14.956.066,42 € (604.300 Stück; Kurswert pro Aktie 24,70 €) und am 18.08.2005 Aktien der Y im Wert von 16.278.794,10 € (194.450 Stück; Kurswert pro Aktie 83,55 €). Jeweils an denselben Tagen schloss sie mit der Bank 1 zwei Geschäfte über außerbörsliche Over-The-Counter-Optionen (OTC-Optionen) ab.
Sie erwarb von der Bank 1 jeweils eine (amerikanische) Put-Option auf diese Aktien, wonach sie mittels Optionsausübung berechtigt war, den entsprechenden Basiswert (Underlying) hier: die Aktien zu einem vorher festgelegten Verkaufspreis (Basispreis: X 42,00 €; Y 129,20 €) an jedem Handelstag während der Ausübungsfrist an die Bank 1 zu veräußern. Für die Einräumung dieses Put-Optionsrechts zahlte die Klägerin an die Bank 1 eine entsprechende Optionsprämie (X : 10.333.530 €; Y : 8.843.586 €; gesamt: 19.177.116 €).
Zeitgleich veräußerte die Klägerin an die Bank 1 jeweils eine (amerikanische) Call-Option auf diese Aktien, wodurch sie der Bank 1 mit Optionsausübung das Recht einräumte, an jedem Handelstag während der Ausübungsfrist von der Klägerin die Lieferung der Aktien zu einem vorher festgelegten Kaufpreis (Basispreis: X 40,20 €, Y 127,00 € zu erwerben. Für die Einräumung dieses Optionsrechts erhielt sie von der Bank 1 eine entsprechende Stillhalter-Optionsprämie (X : 302.150 €; Y : 124.448 €; gesamt: 426.598 €).
Diese OTC-Optionen (Put- und Call-Optionen) hatten jeweils die gleiche Ausübungsfrist (X : jeweils 30.05.2005 bis 31.05.2006; Y : jeweils 15.09.2005 bis 22.09.2006) und einen identischen Verfallstermin. In Ergänzungsvereinbarungen vom 04.05.2005 (betreffend X ) und vom 18.08.2005 (betreffend Y ) wurde zwischen der Klägerin und der Bank 1 vereinbart, dass mit Ausübung einer der beiden Optionen das Recht der Gegenpartei aus der jeweils anderen Option verfallen sollte (sog. „Knock-Out-Vereinbarung”).
Am ersten Tag der Ausübungsfrist um 9.42 Uhr (X ) bzw. um 9.33 Uhr (Y) übte jeweils die Bank 1 ihre Kaufoption aus und erwarb von der Klägerin sämtliche Aktien zum vereinbarten Basiswert. Die Klägerin erzielte Veräußerungserlöse von 24.292.860 € bei X (Basispreis: 40,20 € pro Stück; Kassakurs an diesem Tag 25,80 €) und 24.695.150 € bei Y (Basiswert: 127 € pro Stück; Schlusskurs der Börse: 90,26 €). Die erworbenen Put-Optionen der Klägerin verfielen aufgrund der „Knock-Out-Vereinbarungen”. Die Aktientransaktionen stellten sich zahlenmäßig wie folgt dar: