rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Zinseinnahmen
Leitsatz (redaktionell)
- Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten, indem er Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissens- und Einflusssphäre zugehören, nicht offenlegt, so führt das nicht zu einer Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast, sondern zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes.
- Die Beweisnähe des Steuerpflichtigen für die in seinem Bereich liegenden steuererheblichen Tatsachen verschiebt die Grenze der zumutbaren Mitwirkung um so mehr zu dessen Lasten, je persönlicher, ungewöhnlicher, verwickelter, schwerer zugänglich, atypischer und undurchsichtiger die behaupteten Verhältnisse sind.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 2. Halbsatz; AO §§ 88, 90
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger sein Geldvermögen verzinslich angelegt und das Finanzamt zu Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen im Schätzungswege angesetzt hat.
Der Kläger ist verheiratet und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Entsprechend der am 19.06.1992 eingereichten Einkommensteuererklärung für 1990 setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 19.11.1992 die Einkommensteuer 1990 auf 30.976 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 Abs. 1 AO und war teilweise vorläufig, § 165 Abs. 1 AO.
Am 01.04.1996 wurde beim Kläger und seiner Ehefrau mit einer Betriebsprüfung für die Jahre 1990 - 1993 begonnen. Im Bp-Bericht vom 14.02.1997 trug der Betriebsprüfer in Textziffer 1.6. folgenden Sachverhalt vor:
„Im Verlauf der Prüfung bei der ... (Steuernummer ...) wurde festgestellt, dass der Steuerpflichtige, ..., Einlagen aus dem Privatvermögen in Höhe von ca. 3 Millionen DM geleistet hat. Er konnte nachweisen bzw. zumindest glaubhaft machen, dass die Gelder ihm im Privatbereich im Laufe der letzten Jahre zugeflossen sind.
Allerdings wurden die Gelder nach Auskunft des Steuerpflichtigen zu keinem Zeitpunkt zinsbringend angelegt, sondern immer bar verfügbar. Über den Aufbewahrungsort wurden bisher keine Angaben gemacht.“
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass es aufgrund der kaufmännischen Erfahrung des Klägers nicht glaubwürdig erscheine und jeder Lebenserfahrung widerspreche, dass das Vermögen nicht zinsbringend angelegt gewesen sei. Er schätzte daher die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dabei ging er in Bezug auf den Zinsanteil von einem Fall der Steuerhinterziehung aus, was letztlich dazu führte, dass er ab dem Veranlagungszeitraum 1984 Zinseinkünfte berücksichtigte, die jährlich zum jeweiligen Bestand des vom Steuerpflichtigen als „Kriegskasse“ bezeichneten Geldvermögen hinzu addiert wurden.
Der Bestand der „Kriegskasse“ und die geschätzten Zinseinnahmen sind aus der Anlage 3 zum Bp-Bericht ersichtlich. Für das Streitjahr 1990 betrug der Bestand der Kriegskasse entsprechend den Angaben des Klägers 2.785.015 DM. Abzüglich des vom Prüfer geschätzten Barbestandes in Höhe von 150.000 DM und unter Hinzurechnung der in der Zeit von 1984 - 1989 vom Prüfer geschätzten Zinseinnahmen in Höhe von insgesamt 706.000 DM, legte der Prüfer seiner Zinsschätzung für 1990 einen verzinslich angelegten Geldbetrag in Höhe von 3.341.000 DM zugrunde und errechnete bei einem Zinssatz von 8 % Zinseinnahmen in Höhe von 267.000 DM.
Zusammensetzung „Kriegskasse“ und Zinsberechnung
Bestand aus den Vorjahren |
350.000 DM |
Unfallversicherung |
1.500.200 DM |
Lebensversicherung |
77.503 DM |
... |
213.000 DM |
Rente aus Erwerbsunfähigkeit mtl. 1.800 DM |
183.600 DM |
Rente aus Unfall mtl. 300 DM |
30.600 DM |
Rente aus Unfall mtl. 3.000 DM |
306.000 DM |
Rente aus Unfall mtl. 1.800 DM |
10.800 DM |
Bausparkasse |
53.312 DM |
sonst geschätzt |
60.000 DM |
abzüglich Bestand Bargeld |
./. 150.000 DM |
Zwischensumme |
2.635.015 DM |
+ Zinsen Vorjahre |
706.000 DM |
Bemessungsgrundlage für Zinsschätzung |
3.341.015 DM |
gerundet |
3.341.000 DM |
Zinsen bei Zinssatz 8 % |
267.000 DM |
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte mit Bescheid vom 26.06.1997 die Einkommensteuer 1990 auf nunmehr 169.594 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde dabei aufgehoben, § 164 Abs. 3 AO. Die Änderung beruht im Wesentlichen auf dem erstmaligen Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen beim Kläger in Höhe von 265.600 DM (Zinseinnahmen lt. Schätzung FA 267.000 DM abzüglich Werbungskostenpauschbetrag 200 DM und Sparerfreibetrag 1.200 DM).
Im Einspruchsverfahren wandte sich der Kläger gegen die Zuschätzung der Kapitalerträge, weil dem Finanzamt insoweit keine Schätzungsbefugnis zugestanden habe. So habe das Finanzamt bisher keinen ungeklärten Vermögenszuwachs feststellen können. Eine Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung sei nicht vorgelegt worden.
Eine Lebenserfahrung dahin gehend, dass Geld immer zinsbringend bei einer Bank angelegt werde, gebe es nicht. Die vom Finanzamt angeführte Lebenserfahrung könne ohne z...