Entscheidungsstichwort (Thema)
Entwicklung ingenieurmäßiger Anwendersoftware als freiberufliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Diplom-Ingenieur, der hochkomplexe Anwendersoftware an der Schnittstelle zum Betriebssystem entwickelt, die Kenntnisse der Ingenieurwissenschaft erfordert, unterhält keinen Gewerbebetrieb, sondern ist freiberuflich tätig.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit des Klägers im Streitjahr als Software-Entwickler und EDV-Berater zu Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus freiberuflicher Tätigkeit führt.
Der Kläger ist Dipl.-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik / Datentechnik. Er war im Streitjahr einmal tätig für die Firma A. ... GmbH, wo er für deren Kunden, die Firma B. Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Visual Basic und Oracle erbrachte.
Daneben arbeitete der Kläger für die Firma C. in Y. Zentrale Aufgabe war es, einen ticket-Service zu entwickeln, um die Reservierung, den Verkauf und die Abrechnung von ... tickets per Internet oder Telefon zu ermöglichen.
Das Finanzamt ging bei der Tätigkeit des Klägers von einer gewerblichen Betätigung aus. Nachdem der Kläger keine Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr abgegeben hatte, erließ der Beklagte am 8. 7. 1999 einen Gewerbesteuermessbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO und schätzte den gewerblichen Gewinn entsprechend der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung abgegebenen Gewinnermittlung nach § 162 AO auf 120.619 DM. Der gegen den Gewerbesteuermessbescheid, in dem der Gewerbesteuermessbetrag auf 1.464 DM festgesetzt wurde, eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzamt vertrat in der Einspruchsentscheidung vom 15. 6. 2000 die Auffassung, der Kläger habe Anwendungssoftware entwikkelt und sei damit gewerblich tätig gewesen. Die Tätigkeit des Klägers als EDV-Berater sei kein ingenieurähnlicher Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, weil der Kläger als Awendungssoftware-Berater die Nutzer betreue und seine Tätigkeit dazu bestimmt sei, der Entwicklung, Programmierung und Pflege ganz bestimmter Software-Produkte zu dienen. Der Kläger verfüge zwar über eine Ausbildung, mit der er auch im Bereich Systemsoftware-Entwicklung tätig sein könne. Es sei jedoch auf seine tatsächliche Aufgaben abzustellen, die überwiegend im Bereich der reinen Anwendersoftware-Entwicklung lägen, weil die Nutzung bereits vorhandener Systeme im Vordergrund stehe. Der Kläger nutze ausschließlich vorhandene Systeme, um sie auf die speziellen Bedürfnisse seiner Auftraggeber auszurichten und zu erweitern. Dies gehöre nicht in den Bereich der Systemprogrammierung, die allein zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit führen könne.
Mit seiner Klage vom 17. 7. 2000 macht der Kläger geltend, er sei entgegen der Auffassung des Finanzamts im Bereich der Systemsoftware-Entwicklung tätig gewesen. Aber auch wenn seine Tätigkeit als Awendungsentwicklung eingestuft werden sollte, sei diese so hochwertig und qualifiziert, dass die Tätigkeit zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen müsse. Er habe aus folgenden Tätigkeiten Einkünfte erzielt:
Erstellung von Pflichtenheften, Konzepten und Machbarkeitsanalysen
Beratung, Coaching und Projektleitung
Konzeption und Entwicklung von administrativen und dispositiven Systemen
Anwendung / Schnittstellen-Programmierung von PPS-Systemen, DMS-Systemen, CAS-Systemen
Client / Server-Systemen mit Datenbankunterstützung (Visual Basic, Visual C++, Java, Perl, MS SQL Server, Oracle, MS Access usw.)
Migration von Software-Systemen
Installation und Administration von Netzwerk-Systemen (Windows NT)
Installation und Administration von Groupware / Messaging-Systemen sowie die Schnittstellenprogrammierung (Import / Export) zur Anbindung an die Unternehmens-Datenverarbeitung
Im Rahmen des Auftrags der Firma A. ... GmbH habe der Kläger folgende Tätigkeiten vorgenommen:
Aktualisierung und Anpassung des Datenbankmodells für die anderen eingesetzten Entwickler
Programmierung der Datenzugriffskomponenten
Entwicklung und Pflege weiterer Systembibliotheken, die den anderen Entwicklern den Zugriff auf Systemprozesse gestatten.
Im Rahmen des zweiten Projektes habe der Kläger die Installation der von ihm entwickelten Oracle Datenbank bei einem Kunden der Firma B. begleitet.
Bei der Entwicklung des ticket-Servers habe der Kläger technische Unterstützung für die weiteren beteiligten Firmen geleistet bezüglich der Einrichtung der Systemumgebung und Datenbank.
Ohne seine qualifizierte Ausbildung zum Dipl.-Ingenieur mit Fachrichtung Elektrotechnik und Datentechnik hätte er die genannten Tätigkeiten nicht ausführen können.
Das Berufsbild eines Software-Entwicklers habe sich in jüngerer Vergangenheit stark dahin geändert, dass die strikte Abgrenzung zwischen Anwendungs-Software-Entwicklung und Systemsoftware-Entwicklung überholt sei. Heutzutage sei eine eigene Systemsoftware-Entwicklung nicht mehr sinnvoll, da die kommerziellen Systeme so leistungsfähig und gut seien, d...